Ballettchef Karl Alfred Schreiner: "Eine Befreiung und eine Erleichterung"

In Auszügen aus André Campras "Fêtes vénitiennes" und Sebastián Duróns "Selva encantada de Amor" bevölkern feiernde Chöre und Ballett die Bühne, während Monteverdis "Lamento della ninfa" in intimere seelische Räume führt und Matthew Locke in seiner Komödie "Cupid and Death" zeigt, was passiert, wenn Amor und der Tod ihre Waffen vertauschen.
Howard Arman (Dirigent) und Karl Alfred Schreiner (Regie und Choreografie) haben vier Werke des musikalischen Barock zu einem Abend mit dem Titel "Amors Fest" vereint, der ab Donnerstag im Gärtnerplatztheater zu sehen ist.
AZ: Herr Schreiner, auf der Liste der Rollen sehe ich einen Nihilisten. Was zieht den zu "Amors Fest"?
KARL ALFRED SCHREINER: Das ist unseren Vorlagen geschuldet. Im Prolog von Campras "Fêtes vénitiennes" gibt es einen Dialog zwischen den beiden Philosophen Heraklit und Demokrit. Meine Grundidee für den Abend war ein Fest der Liebe und eine Feier der Gattung Musiktheater in seiner ganzen Komplexität. Und das beginnen wir nicht auf die einfache Art, sondern mit einer selbstkritischen Reflexion, und da ist das Verhältnis eines Nihilisten zu den schönen Künsten ein guter Ausgangspunkt.
Aus welcher Zeit stammen die von Ihnen verbundenen Werke.
Campras Opéra-ballet wurde 1710 in Paris uraufgeführt. Matthew Locke ist ein englischer Komponist des 17. Jahrhunderts. Im dritten Teil des Abends gibt es Madrigale von Claudio Monteverdi und dessen "Lamento della ninfa". Die Vorlage des letzten Teils bildet eine Zarzuela des spanischen Komponisten Sebastián Durón, die um 1700 entstanden ist.

Alle diese Stücke erklingen aber nur in Auszügen?
Sonst würde der Abend neun Stunden dauern. Wir haben uns an der barocken Praxis des Pasticcios orientiert und ausgesucht, was unserer Geschichte dient und dem Publikum zum Teil auch etwas musikalisch Neues bietet.
Schreiner: "Wir erzählen die Handlung als Jahreskreis"
Das "Lamento della Ninfa" scheint in Mode zu sein: Es ist auch Teil des Abends "Bluthaus", den die Staatsoper im Mai im Cuvilliéstheater herausbringt.
Manchmal lassen sich solche Überschneidungen nicht vermeiden. Wir haben es ausgesucht, weil es bei uns einfach perfekt hineingepasst hat.
Was ist denn Ihr roter Faden?
Jede der sieben Solisten übernimmt mehrere Rollen, die ich als verschiedene Facetten eines Charakters verstehe. Der Tod bleibt das ganze Stück über der Tod, und wenn der Sänger etwas anderes singt, ist das ein Aspekt dieser Figur - oder eine Verkleidung. Außerdem erzählen wir die Handlung als Jahreskreis.
Mit welcher Jahreszeit beginnen Sie?
Mit dem bacchantischen Herbst, weil bei Campra der Gott des Weines auftritt.
Lassen Sie Ihre Sänger auch tanzen?
Ich habe auf der ersten Probe ausdrücklich erklärt, dass ich mit bemühen werde, die Sänger nicht zu choreografieren und die Tänzer singen zu lassen. Auch der Chor tanzt keine Schrittkombinationen. Ich wollte mich den Werken ausdrücklich als Regisseur nähern und nicht für jemanden choreografieren, der nicht per se aus dem Tanz kommt.
Der Schluss soll die Sinnhaftigkeit der Liebe zur Musik herausstellen
Was war der Ausgangspunkt für den Titel "Amors Fest"?
In Duróns Zarzuela tritt Amor auf, der ein Fest gibt und einen Laden eröffnet, weil Liebe käuflich ist und trotzdem mehr vermag, als käuflich zu sein. Dieses Fest ist das Ziel unseres Abends, auf das alles zuläuft.
Das erinnert mich an das unvermeidliche Divertissement am Ende von klassischen Balletten wie "Dornröschen".
Ich hoffe, dass es bei uns etwas anders ist und der Schluss die Sinnhaftigkeit und Bedeutung der Liebe zur Musik und zur Kunst im Allgemeinen herausstellt.
"Amors Fest" ist die erste Münchner Opernpremiere ohne Maskenpflicht.
Es ist eine Befreiung und eine Erleichterung, die es einfacher macht, einen Abend zu genießen. Ich freue mich über alles, das es unserem Publikum einfacher macht, uns zu besuchen. Wir haben Wochen und Monate darauf hingearbeitet, um - mit aller der gebotenen Vorsicht - wieder in gewohnter Weise Musiktheater machen zu dürfen.
Premiere am Donnerstag, 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen am 17. und 25. Oktober sowie am 12., 17., 27. und 29. November. Karten: gaertnerplatztheater.de