AZ-Interview: Kabarettist Barwasser über die Wahl in Bayern

Der Kabarettist Frank-Markus Barwasser stand in seiner Heimatstadt erstmals mit dem Cordhüdli als Erwin Pelzig auf der Bühne. Mit der AZ spricht er über die Wahl in Bayern und sein neues Programm „Weg von hier“.
von  Thomas Becker
Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig.
Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig. © ho

Der Kabarettist Frank-Markus Barwasser stand in seiner Heimatstadt erstmals mit dem Cordhüdli als Erwin Pelzig auf der Bühne. Mit der AZ spricht er über die Wahl in Bayern und sein neues Programm "Weg von hier".

Ist es wirklich so schlimm, wie der Titel des neuen Programms andeutet? Heute gastiert der fränkische Kabarettist unter dem Motto "Weg von hier" im Circus Krone. Davor erklärt er, warum trotz der Erfolge der Grünen nach der Landtagswahl in Bayern alles beim Alten bleibt.

AZ: Herr Barwasser, stimmt es, dass Sie als Neu-Mainzer heuer zum ersten Mal nicht in Bayern gewählt haben?
FRANK-MARKUS BARWASSER: Genau – und dann gleich so ein Ergebnis! Das war insofern ganz interessant, das von Rheinland-Pfalz aus zu beobachten, weil man alles etwas unaufgeregter sieht. Vor allem fällt diese dauernde bayerische Selbstbespiegelung weg, dieses Selbstreferenzielle, was man in Bayern und vor allem in München sehr stark hat und was ich oft sehr unsouverän finde. Ständig zu betonen: "Wir sind die Tollsten und Schönsten, leben im Paradies, alle reden über uns". Schon 300 Kilometer nordwestlicher wird das alles ein bisschen anders gesehen.

"Ich war überrascht, dass die CSU nicht mehr verloren hat"

Wie haben Sie den Wahlabend erlebt? Ihr Kollege Christian Springer meinte, jahrelang habe man sich auf ein solches Ergebnis gefreut, aber wie eine richtige Party fühle es sich dennoch nicht an. Geht’s Ihnen ähnlich?
Ich war überrascht, dass die CSU nicht mehr verloren hat, nach dem Schauspiel, das sie vor der Wahl aufgeführt haben. Wenn man nun jedoch die Zahlen der Freien Wähler dazu addiert, dann liegt man doch wieder bei rund 48 Prozent. Die Freien Wähler sind ja nicht so weit weg von der CSU. Faktisch heißt das: Es wird sich gar nichts ändern, sondern alles so bleiben, wie es ist. Man fragt sich, ob Tucholsky nicht vielleicht doch Recht hatte, als er sagte: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten."

Insgesamt also ein eher trauriges Wahlergebnis?
Es ist halt wieder typisch. Die Freien Wähler haben die AfD kleiner gehalten, wie viele befürchtet haben. Dennoch zieht die CSU halt völlig falsche Schlüsse daraus. Es ist schon erstaunlich, dass diese Partei so dermaßen das Feeling für das Land verliert und nicht kapiert, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man von Bierzelten und Bezirksparteitagen auf das Land schließen kann. Man hat schon den Eindruck: Bayern hat sich verändert, die CSU nicht. Sie kommt immer noch mit Franz-Josef-Strauß-Antworten um die Ecke.

Barwasser zu den Grünen-Wählern: "Bürgerlicher geht’s nicht mehr"

Was ist vom bevorstehenden Schulterschluss mit Aiwanger & Co. zu halten?
Diese Koalition mit den Freien Wählern ist keine große Herausforderung wie es eine Koalition mit den Grünen gewesen wäre. Es ist doch wirklich ein Witz, wenn die jetzt sagen: "Wir wollen eine Koalition der bürgerlichen Mitte!". Schauen Sie sich die Grünen-Wähler mal an: Bürgerlicher geht’s doch nicht mehr! Das zeigt nur, dass die CSU immer noch nicht begreift, was los ist.

Oder dass sie völlig schmerzfrei ist.
Es gibt für mich jedenfalls keinen Grund für Triumphgeheul. Sie haben kräftig verloren, sind aber eigentlich noch gut weggekommen. Alles wie gehabt sozusagen.

Sie haben es angesprochen: Im Land wird sich wohl wenig ändern. Wie wirkt sich die Wahl auf Ihre Arbeit als Kabarettist aus?
Dazu sind diese Fragen dann doch nur ein Pickelchen am Hintern der Weltgeschichte. Ich gehe natürlich auf die Wahl ein, aber mich treiben schon ganz andere Fragen um.

"Weg von hier": Flucht vor der Realität

Ihr Programm heißt "Weg von hier". Wo soll’s hin gehen?
Ich beschreibe damit ja eher ein Lebensgefühl. Das ist kein Aufruf, ganz im Gegenteil. Es ist ja sozusagen unser Job hier zu bleiben. Das Programm beschreibt eine Flucht vor der Realität in irgendetwas Anderes, ohne es genau benennen zu können.

Es ist wohl ein Work in progress. Wie stark greifen Sie nach aktueller Lage ein?
Es gibt immer wieder Veränderungen, es ist aber zugleich ein Programm, das grundsätzlicher ist, als alle meine Programme zuvor gewesen sind. Ich muss nicht jeder Sau, die durchs Mediendorf getrieben wird, hinterher rennen. Aber wenn ich, um bestimmte Aussagen zu belegen, aktuellere Beispiele in der Politik finde, dann baue ich die natürlich ein. Es verblasst ja auch sehr viel: Schon nach ein, zwei Jahren merke ich, dass sich die Leute an viele Sachen gar nicht mehr erinnern. So was wie die Bayern-Wahl fließt am Anfang schon ein, aber ich muss jetzt nicht alles umschreiben.

Bemerkenswert in den letzten Wochen und Monaten ist ja auch der öffentlich gut sichtbare Trend zur Demo, in einem Ausmaß, wie man es seit den 80er-Jahren nicht mehr erlebt hat.
"Wir sind mehr" ist so ein Schlagwort: Das ist leicht gesagt, aber man muss nun auch mehr bleiben und dafür sorgen, dass das Konsequenzen hat. Aber es findet wieder eine Form von Politisierung statt, die wiederum sehr stark aus der Zivilgesellschaft kommt, wie schon bei der Flüchtlingskrise. Das ist einerseits sehr gut, zeigt andererseits auch das Problem von Parteien wie der SPD, die es nicht mehr schaffen, Menschen zu mobilisieren. Auch gut ist die höhere Wahlbeteiligung in Bayern, von der ja wahrscheinlich die CSU stark profitiert hat – sei’s drum. Über 70 Prozent: Das ist wirklich gut.

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