Auferstehung auf der Leinwand: Udo Jürgens in der Olympiahalle München
Handy, Schlüssel, Portemonnaie - bloß nichts vergessen vor so einem Konzertabend. Doch Moment: Eine Sache sollte man gedanklich kurz zur Seite legen. Udo Jürgens weilt schon lange nicht mehr unter uns. Trotzdem lockte er mit seinen Hits wie "Aber bitte mit Sahne" oder "Mit 66 Jahren" noch einmal in dieses ehrenwerte Haus, kurz Olympiahalle. Ein Wunder der verfrühten Auferstehung vor Ostern? Nein! Eher ein Wunder der Technik, das bei der "Da Capo" Tour zum Einsatz kam. Das Orchester Pepe Lienhard spielte live, der Star sang über 20 Songs von einer überdimensionalen Videowand herab. Die Fans spürten, dass jemand ganz schön fehlte und trotzdem wieder in ihrer musikalischen Mitte war.

Der Effekt klang auf dem Papier zunächst banal. Spielte da einfach eine alte Konzertaufnahme, die man auch auf DVD kaufen kann? Nicht ganz. Der eigentliche Zauber des Abends lag in der klugen Umsetzung: Die Videosequenzen wurden präzise montiert. Es wirkte, als würde Udo auf der Bühne agieren. Beim Klimpern am Klavier warf er einen Blick zur Band. Nach "1.000 Jahre sind ein Tag" stellte er locker ein paar Kollegen vor. Von 25 ehemaligen Musikern begleiteten Digital-Udo immer noch 21. Seine Ansagen vor "Der Mann ist das Problem" sorgten für Lacher in der Arena. Mit verschränkten Armen lauschte er seiner Duettpartnerin bei "Immer wieder geht die Sonne auf". Nach einer Weile merkte man kaum noch, dass auf der Bühne jemand gar nicht da war.
Die Halle war für das Projekt überdimensioniert
Trotzdem schreckte der Aufbau des Konzerts viele Udo-Fans ab. Zu viel Theater? Zu wenig Musik? Die Halle war für das Projekt vielleicht zu überdimensioniert. Moderator Karim Khawatmi, führte zudem zu ausführlich durch den Abend - mit viel Pathos und etwas zu einstudiert wirkenden Ansagen. Der ehemalige Hauptdarsteller des Musicals "Ich war noch niemals in New York" versuchte sich als Bindeglied zwischen Leinwand und Live-Band oder griff selbst zum Mikro. Diesen Aufwand hätte es besser nicht gebraucht.

Denn mal ehrlich: Auch bei so manchem echten Konzert sind die Künstler von den hinteren Plätzen schwer zu erkennen. Der AZ-Reporter nahm testweise Platz in Reihe 34 - ganz hinten. Von dort wirkten die Musiker winzig, während Udo auf der Leinwand riesig erschien. Und genau da begann das Träumen: vom letzten echten Auftritt im November 2014 an gleicher Stelle. Von vielen unvergesslichen Hits - ob verschwitzt im Bademantel ("17 Jahr, blondes Haar") oder elegant beim Eurovision Song Contest 1966 ("Merci Chérie"). Nur manchmal fühlte es sich doch etwas seltsam an, einer Leinwand zu applaudieren. Es entstand nach den Songs eine kurze Leere, die die Band dann zum Glück auffing.
Hangeln am Clicktrack entlang
Sie hangelten sich an einem sogenannten "Clicktrack" entlang. Ein Klick-Geräusch im Kopfhörer, welches das Tempo der Songs vorgab. Wenn Jürgens in den alten Aufnahmen - wie bei "Griechischer Wein" - eine Pause machte oder das Tempo variierte, wurde das durch den Clicktrack abgebildet. Das Orchester musste so nicht ständig auf die Leinwand hinter sich schauen.

Nicht der einzige Technik-Kniff, den die Musiker zu bewältigen hatten. Auf der Anfahrt nach München gab es eine Panne auf der Autobahn. Mitten in der Nacht musste ein Reifen vom Bus gewechselt werden. Schlagzeuger Peter Lübke packte kurzerhand mit an. Perfekter Einsatz, auch ohne Klicks im Ohr.