Interview

Atze Schröder im Circus Krone und im Interview: "Ich bin für betreutes Fühlen"

Atze Schröder kommt mit seinem Programm "Echte Gefühle" in den Circus Krone, wo er die Stimmung immer am besten findet.
von  Thomas Becker
Kann man diesem Blick widerstehen? Hubertus Albers als Atze Schröder.
Kann man diesem Blick widerstehen? Hubertus Albers als Atze Schröder. © Boris Breuer

München - Nichts ist mehr echt: Fake News, gefilterte Selfies, alternative Fakten, getürkte Software. Jeder tut nur noch so "als ob", alle bluffen. Einen Gegenpol bietet Atze Schröder mit seinem neuen Programm "Echte Gefühle", das er am Sonntag im Circus Krone vorstellt.

AZ: In Ihrem Bühnenprogramm geht es laut Titel um "Echte Gefühle". Nun haben wir seit Monaten ein Thema, das keinen kalt lässt: der Krieg in der Ukraine. Wie sehr beschäftigt sich Atze Schröder damit?
ATZE SCHRÖDER: Privat natürlich eine ganz Menge, im Programm streife ich das Thema, weil natürlich ganz am Anfang die Frage steht: Dürfen wir in solchen Zeiten zusammensitzen und lachen? Ich denke: Wir müssen lachen und zwei Stunden einfach mal die Birne ausmachen, um danach vielleicht mit frischem Wind wieder Ansätze zu finden.

Atze Schröder: "Diese Aufgabe der Ablenkung zu erfüllen, macht echt Spaß"

Heißt, Sie erteilen den Fans erstmal Absolution, und dann kann die Gaudi losgehen.
Damit man mit einem guten Gefühl in den Abend gehen kann. Sonst wird das ja nix.

Ist es derzeit schwerer auf die Bühne zu gehen?
Nee, eigentlich macht es Spaß. Man merkt, dass das Publikum durch die ganzen schlechten Nachrichten, die wir seit zwei Jahren um die Ohren kriegen, sehr ausgehungert ist. Das ist schon sehr deutlich spürbar. Und diese Aufgabe der Ablenkung zu erfüllen, macht echt Spaß. Im März habe ich nach zwei Jahren Bühnenabstinenz wieder angefangen zu spielen: Das war unglaublich! Die Leute haben erst mal fünf Minuten nur geklatscht. Es ging mit Standing Ovations los, nicht wegen meiner Leistung, sondern weil überhaupt wieder was losgeht.

"Speziell im Circus Krone ist die Stimmung seit 20 Jahren fast am besten auf der Tour"

Da kann einem schon mal das ein oder andere Tränchen kullern, oder?
Absolut. Bei meinem ersten Job war dann auch erst mal die Sprache weg, das Publikum hat das gemerkt und einfach weiter geklatscht.

Wie anders ist es, wenn Sie im Nicht-Ruhrpott spielen, zum Beispiel in diesem München?
Man denkt immer, dass das so anders ist, aber - und das sage ich jetzt nicht, weil ich am Wochenende in München spiele: Speziell im Circus Krone ist die Stimmung seit 20 Jahren fast am besten auf der Tour.

Ach.
Ohne Scheiß.

Wie kommt's?
Die wollen ja auch mal lachen.

Weil wir sonst nix zu lachen haben?
Diese Art von Humor ist etwas anders, das wird in München wirklich goutiert.

Atze Schröder: "Ich bin München-Fan, absolut"

Sonstige Verbindungen zu unserer schönen Stadt?
Ich habe ja in München mit angefangen, im "Hai", vor drei Zuschauern. Da habe ich die Lautsprecher gleich wieder abgebaut und den Leuten das Programm einfach vorn in der Kneipe erzählt. Aber das Schönste war, dass ich bei einem von denen noch übernachtet habe. Und ich überlege jetzt, ob ich nicht wieder kleiner spiele, Lustspielhaus statt Circus Krone, und dafür zehn Tage in München bin. Ich bin München-Fan, absolut.

Atze Schröder: ""Mein großer Held war immer Gerhard Polt, bis heute"

Wie sieht es mit Vorbildern in Sachen Komik aus? Wer waren Ihre jugendlichen Helden?
Mein großer Held war immer Gerhard Polt, bis heute.

Ach nee!
Da kenne ich alles auswendig. Ich hab' den auch oft live gesehen. Das ist mein Held, weil er sich auch um nix scheißt.

Haben Sie ihn mal kennengelernt?
Beim Bayerischen Kabarettpreis. Das war sehr nett.

Wobei Smalltalk ja nicht so sein Ding ist.
Nee, aber er ist ja schon ein sehr herzlicher Mensch, auch wenn er es immer zu verbergen versucht.

Das sagt Atze Schröder über seine Podcast-Produktionen

Nach 28 Jahren Atze: Haben oder hatten Sie nicht mal das Bedürfnis, die Locken an den Nagel zu hängen? So wie Frank-Markus Barwasser irgendwann nicht mehr den Pelzig geben wollte?
Nee, im Gegenteil. Ich habe wirklich wachsenden Spaß daran. Ich kann über diese Figur die Welt nochmal mit anderen Augen sehen, und das gibt eine unheimliche Spannung, die ich als Privatperson vielleicht so nicht hinkriegen würde.

Ha! Neben dem Bühnenprogramm produzieren Sie auch noch zwei Podcasts: Während es in "Zärtliche Cousinen" mit Till Hoheneder um Themen wie rasierte Männerbeine geht, kommen in "Betreutes Fühlen" mit Leon Windscheid seit zweieinhalb Jahren eher Couch-Doktor-Aspekte wie Angstüberwindung oder manipulative Empathie aufs Tapet. Wie kam es denn dazu?
Doktor Windscheid und ich sind in der selben Künstler-Agentur, und da hatte irgend ein junger Mitarbeiter die Idee: "Probiert das doch mal zusammen!" Am Anfang mochten wir uns nicht besonders. Ich dachte, das ist so ein eingebildeter Nerd, und er meinte: "Was will mir der Trottel denn erzählen?" Aber so nach drei, vier Wochen haben wir so eine Chemie gefunden, uns über die Arbeit angenähert, und jetzt mögen wir uns, machen auch viel privat zusammen. Das ist schon fast Liebe.

"Oxford-Studenten nehmen in Psychologie-Vorlesungen auch unseren Podcast durch"

Angesichts dieser Themen wird es aber schon recht persönlich. Können Sie da überhaupt in Ihrer Atze-Rolle bleiben?
Nee, das ist sehr viel Privates drin. Aber jetzt kommt der Clou: An Pfingstmontag geht es mit Leon direkt von München nach Oxford, wo uns die University zu einem Vortrag eingeladen hat.

In Oxford English?
Das fällt Leon sicher leichter als mir, aber wir werden uns bemühen. Vielleicht wird's bei mir eher Denglisch.

Wie kam das zustande?
Es gibt schon seit Ewigkeiten eine deutsche Gemeinde an der Uni Oxford - und die sind Fans, nehmen in ihren Psychologie-Vorlesungen auch unseren Podcast durch.

Sagenhaft. Atze Schröder goes Oxford.
Ich bin auch ein bisschen nervös, gebe ich gerne zu.

Atze Schröder: "Das Leben hält für jeden von uns Überraschungen bereit"

Und dann wieder zurück zum Klamauk - herrlich, dieses Künstlerleben!
Ja, speziell über "Betreutes Fühlen" bin ich sehr glücklich. Weil das so ganz anders ist als alles, was ich bisher gemacht habe.

Ist das die andere Seite des Mannes, der Atze Schröder ist?
Ja, oder die erweiterte Version. Es gibt oft Stellen, wo ich sage: "So Leon, der Komiker würde jetzt sagen…" Dann lachen wir auch zusammen, das ist ja nicht immer ernst, sondern hat auch eine gewisse Leichtigkeit. Leon ist so lustig und so nerdig, dass er mir kurz vor der Aufzeichnung schon mal 90 Seiten schickt und meint: "Les' mal schnell durch!"

Auf der Bühne funktioniert das aber nicht, oder?
Doch, im Herbst machen wir zwei Termine in Münster, dachten wir gucken mal, wie sich das verkauft - der erste Termin war nach zehn Minuten ausverkauft und der zusätzliche Nachmittagstermin nach einer Stunde. Total abgefahren! Das Leben hält für jeden von uns Überraschungen bereit.

Es gibt also ein Bedürfnis, den anderen Atze Schröder kennenlernen zu wollen.
Offensichtlich, ich wusste das nicht. Es gab ja diese Sendung bei Lanz vor zweieinhalb Jahren, wo ich auf die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi getroffen bin, die als Zwölfjährige Auschwitz überlebt hat. Ich habe mich stellvertretend für die Generation meines Vaters bei ihr entschuldigt, was nicht geplant war. Da wurde es ja sehr emotional, es kam so viel Echo zurück, selbst israelische Zeitungen haben darüber berichtet. Nach all den Mails und Kommentare dachte ich: "Naja, vielleicht interessiert die Leute diese Seite von mir ja doch. Vielleicht mache ich mal etwas weiter auf und mache jetzt nicht nur Klamauk, sondern lasse mir auch mal in die Karten schauen." Das Leben bleibt schön!


Diesen Sonntag, 5. Juni, Circus Krone, 19 Uhr, ab 40 Euro, www.muenchenticket.de

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