Antoine Mariottes "Salomé" in der AZ-Kritik
Ein Flirren in der Klarinette. Und während noch der Vorhang nach oben rauscht, hat schon jeder halbwegs hörfähige Mensch nach dem ersten Takt der „Salome“ von Richard Strauss verstanden, wovon diese Oper handelt: von Orient und Erotik.
Der Franzose Antoine Mariotte kommt nicht so rasch auf den Punkt: In seiner „Salomé“ verbreitet erst das Orchester tragische Düsternis, ehe der verliebte junge Syrier mit „Wie schön ist die Prinzessin Salome heute nacht“ einsetzt.
Mariotte komponierte seinen Einakter von Oscar Wilde zur gleichen Zeit wie der Münchner Spätromantiker. 1908 kam diese „Salomé“ in Lyon heraus, neun Jahre später zog sie sogar ins Pariser Palais Garnier ein.
Wie ein Debussy-Remake
Die Theaterakademie hat das Werk mit Gesangsstudenten der Musikhochschule als Kontrastprogramm zum 150. Geburtstag von Richard Strauss für das Prinzregententheater ausgegraben. Eine gleichzeitige „Salome“- Serie im Nationaltheater erlaubt direkte Vergleiche.
Mariottes Oper klingt wie ein auf Effekt bedachtes Remake von Claude Debussys „Pelléas“: Die Sänger deklamieren über einem dicht gewebten Klangteppich aus dunklen Holzbläser-Farben. Eine strenge Musik, die erst gegen Ende ihre objektive Neutralität verlässt, wenn ein textloser Chor den Schlussmonolog der Salomé begleitet.
Das Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer spielte diese Musik im Graben etwas massiger und als nötig. Die männlichen Protagonisten Iokanaan (Heeyun Choi) und Hérode (Eric Ander) waren etwas leichtgewichtig mit hellen Bariton-Stimmen besetzt. Doch als Ensemble-Leistung ist die Aufführung von jener hohen Klasse, die Opernproduktionen der Theaterakademie unter dem scheidenden Präsidenten Klaus Zehelein auszeichnen. Und was Anna-Maria Thoma als Salomé leistete, nötigt höchsten Respekt ab.
Akademische Erotik
Regisseur Balász Kovalik sperrte die Figuren in ein Stahltreppenhaus. Seine Inszenierung unterstrich durch das Kostüm, dass der asketische Prophet und der lüsterne Herrscher zwei Aspekte des gleichen Macho-Bewusstseins bilden. Ein Double der Salome wurde früh eingeführt, der Tanz der sieben Schleier geschickt zu einer Pantomime umfunktioniert, die den Konflikt auf den Punkt brachte.
Dass jede Form von Kopf-Erotik als Rammeln gezeigt werden muss, hat offenbar jemand als ehernes Gesetz in den Lehrplan der Akademie geschrieben – weil es bei dortigen Produktionen so unvermeidlich und peinlich ist wie das Amen nach der Beichte.
Nicht verpassen!
Sei’s drum. Strauss-Verächter rümpfen ja ihre Nase des Öfteren über die Naivität, mit der Richard Strauss die Herztöne der Salome und das Glitzern jedes einzelnen Diamanten in Töne gesetzt hat. Hier kann man hören, wie es klingt, wenn ein Komponist dergleichen weglässt.
Und für alle Strauss-Verehrer dürfte es reizvoll sein, den gleichen Text in einer anderen Vertonung zu hören. Es ist erheblich spannender, Strauss mit dieser „Salomé“ als mit seinen eigenen Schmerzenswerken wie „Guntram“, „Feuersnot“ oder „Friedenstag zu feiern.
Ein Muss also für alle fortgeschrittenen Opern-Narren!
Wieder am 6. und 8. 3., 19.30 Uhr. Die Vorstellung vom 6. 3. als Livestream auf br-klassik.de