Anna Netrebko und Yusif Evyazov in "A due voci"

Salzburger Festspiele: Anna Netrebko und Yusif Eyvazov in Arien und Duetten von Verdi und Puccini
von  Robert Braunmüller
"A due voci" im Großen Festspielhaus.
"A due voci" im Großen Festspielhaus. © Marco Borrelli

Sie weiß sich zu bewegen. Er steht nur herum und breitet die Arme aus. Sie stellt auch ohne Bühne mit jeder Arie gleich die zugehörige Opernfigur auf ein Konzertpodium. Er singt geradeheraus, ohne jede Finesse. Sie koloriert jede Phrase bis an die Grenze der Manieriertheit. Er hat gar keinen Stil.

Es ist unfair, Anna Netrebko mit Yusif Eyvazov zu vergleichen. Er ist ein allenfalls solider Sänger, sie ein Weltstar. Aber das Ehepaar tritt nun mal gemeinsam auf, wie zuletzt unter dem Motto „A due voci“ zum Abschluss einer Welttournee als Finale der Salzburger Festspiele im Großen Festspielhaus mit Arien und Duetten von Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini.

Der Klarinettist singt schöner

Die Netrebko begann mit einer Arie der Lady Macbeth. Sie legte ihre an sich warme, dunkle Stimme auf Eis und tigerte vor dem Mozarteumorchester auf und ab. Die Gefährlichkeit der Lady wurde mit Charme gala-fähig zugerichtet. Und der ständige Blickkontakt mit dem Publikum erzeugt bei jedem der 2179 Anwesenden das Gefühl, es würde allein für ihn gesungen.

Anschließend schmetterte Eyvazov kalt und direkt die Szene des Manrico aus „Il trovatore“ einschließlich trompetenhaftem C. Das macht erzwungen wenig Sinn. Denn die Stretta ist eine kämpferische Szene, überstrahlt von einem Spitzenton, der wirken muss wie der plötzliche Griff nach einem blitzenden Schwert. Herr Netrebko verfügt leider über blechernes Metall, und mit „Ah sì, ben mio“ konnte er gar nichts anfangen. Das Publikum feierte ihn demonstrativ.

Dann lotete die Netrebko in „Pace, pace mio Dio“ aus „La forza del destino“ das manisch-depressive Schwanken zwischen Verzweiflung und Erlösungssehnsucht aus. In der Arie des Alvaro aus der gleichen Oper sang der Klarinettist des Mozarteumorchesters schöner wie Herr Eyvazov. Der überraschte dafür als Otello in „Già nella notte densa“. Hier passt sein eher lapidarer Gesangsstil, ohne dass man sich jetzt gleich die ganze Rolle mit ihm wünschen würde.

Drama mit Show

Nach der Pause hatte sich das anfangs auf Bierzelt-Humtata gestimmte tiefe Blech mit dem Rest des Mozarteumorchesters auf eine apart federnde Eleganz geeinigt. Jader Bignamini dirigierte die übliche Ouvertüren-Beikost ordentlich, enttäuschte aber mit zähen Tempi im Puccini-Teil. Aber das war nicht wichtig.

Denn die Netrebko erwies sich im Duett aus dem ersten Akt von „Tosca“ wieder als scharf charakterisierende Künstlerin, der die Natürlichkeit eines jungen Mädchens zwar weniger liegt, die aber ganz wunderbar dessen Eifersucht auslebt. Und natürlich brachte sie der am Dirigentenpult anzunehmenden Madonnenstatue einen Blumenstrauß mit. Eine Mischung aus Show und dramatischer Notwendigkeit, die nur der Netrebko glaubhaft gelingt.

Eyvazov liefert dazu nur Töne, aber keine Charakterisierung des Cavaradossi, dessen abgrundtiefe Verzweiflung ihm in „E lucevan le stelle“ völlig fremd blieb. Seiner Deutung des unvermeidlichen „Nessun dorma“ fehlte der dramaturgische Zug hin zum Schlusseffekt. Aber weil die Arie berühmt ist, löst sie auch schlecht gesungen Jubelstürme aus.

Abgewürgte Begeisterung

Immerhin ist Eyvazov ein ordentlicher Pinkerton. Auch wenn die fast bis zum Mezzosopran nachgedunkelte Stimme der Netrebko für die Butterfly bereits zu reif sein dürfte: „Vogliatemi bene“ enthusiasmierte trotz des brutal kupierten Orchesternachspiels.

Die von der Bayerischen Staatsoper praktizierte Netrebko-Eyvazov-Kombination in Verdis „Macbeth“ als Lady und Macduff dürfte wegen der maximalen Distanz die einzig erträgliche ästhetische Paarung von Herrn und Frau Netrebko an einem Opernabend sein. Vor ein paar Tagen übrigens, in Buenos Aires, sangen die beiden als Zugabe „O sole mio“ im Duett. Das Publikum machte den Chor, und Eyvazov forderte Leute aus den vorderen Reihen auf, zu ihnen auf die Bühne zu kommen.

In Salzburg zerrte der Dirigent schon nach dem zweiten oder dritten Applaus-Auftritt den Konzertmeister mit und killte kalt, geschäftsmäßig und herzlos die durchaus vorhandene Begeisterung. Hatten die drei an dem Abend noch was anderes vor?
 

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