Anna Netrebko als Lady Macbeth im Nationaltheater

Bayerische Staatsoper: Anna Netrebko ist eine dramatisch starke Lady in Verdis „Macbeth“ – mit wunderbaren Untertönen
von  Adrian Prechtel
Anna Netrebko in Verdis "Macbeth".
Anna Netrebko in Verdis "Macbeth". © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper: Anna Netrebko ist eine dramatisch starke Lady in Verdis „Macbeth“ – mit wunderbaren Untertönen

MÜNCHEN - Natürlich hätte Verdi dem Titel seiner Shakespeare-Oper ein „Lady“ voranstellen müssen. So ist auch das erste Bild – eine einzige Schädelstätte – eher Vorspiel als Beginn. Dann aber kommt sie ins gespenstisch blutige Spiel: Lady Macbeth erwartet ihren Mann nach der Schlacht, und der König hat sich zum Dinner und Übernachten angekündigt, was er nicht überleben wird. Denn bekanntlich gehen die Macbeths auf dem Weg zur Macht über Leichen.

So weit gingen die im sanften Niesel-Schneeregen wartenden Karten-Aspiranten vor der ausverkauften Oper nicht. Das Gerücht geht um, zwei superteure Karten würden noch frei, weil – mittlerweile ist es zehn Minuten vor Beginn – Sunnyi Melles ihre nicht abgeholt hätte. Alle wollen dabei sein: Denn Anna Netrebko ist in dieser acht Jahre alten Inszenierung vom Residenztheaternachbarn Martin Kušej die Lady Macbeth.

War Nadja Michael damals eine wunderbar hexig-spinnengleiche, ätherische rothaarige Schottenkönigin, die extrem hochhackig über die blendend weißen Schädelberge stakste, packt Anna Netrebko diese Rolle naturgemäß anders an. Gleich ihre ersten Acapella-Takte künden von Stärke – klar, mächtig, oben durchaus anfangs auch schneidend, aber nie forciert: Eine Sänger-Schauspielerin ohne Klischeegesten, die später auch auf dem großen Schlosskronleuchter schaukeln wird, um dem Schwingen dann herrisch wieder Einhalt zu gebieten. Hier hat eine Frau im blutigen Haus die Hosen an!

Stärke zeigen! Aber dahinter: Zerrissenheit und Hysterie

Und wenn alle die Ermordung des Königs beklagen, gelingt es Netrebko mühelos sich über dem wild-tumultösen Trauertutti „Sangue a me quell’ombra chiede“ Gehör zu verschaffen. Später wird sie vom Wahn ihres Mannes ablenken und zum Feiern und Vergessen aufrufen. Da wiederum durchzuckt ihre Stimme die verborgene Hysterie der Figur. So zeichnet Anna Netrebko Lady Macbeth als starke Frau, hinter deren Fassade Zerrüttung lauert. Und wenn in der Schlafwandelszene es wahnhaft hoch in Koloraturen geht, kann Netrebko ihre Stimme auch kunstvoll zurücknehmen, ohne je matt zu wirken.

Ihr Bühnenmann Franco Vassallo hat als Macbeth einen gefeierten, immer schönen runden Bariton. Er schafft es – passend zur Rolle – seine ganz offene Stimme wie skrupulös gefesselt wirken zu lassen, ohne je an Stärke zu verlieren. Und Ildebrando D’Arcangelo ist mit seiner langen Mähne ein wunderbarer Bass-Latin-Lover, der als moralisch sauberer Branco der harten Szenerie etwas Wärme gibt, obwohl in dieser Oper Liebe nicht vorgesehen ist. Aus Liebe aber hat Anna Netrebko ihren Mann Yusif Eyvazov – an diesem Abend an einer Krücke, was gut zum Kriegsgeschehen passte – mitengagieren lassen. Als Macduff ist er immer ein bisschen zu laut, auch wenn ihm Paolo Carignani mit dem Bayerischen Staatsorchester subtil ein Piano vorbereiten. Überhaupt ist Carignani ein wunderbar flüssiger Dirigent, der sich nicht in den Vordergrund spielt, die Sänger sanft führt, leicht antreibt anstatt hinterherzudirigieren.

Langweilig albern reagiert immer noch eine lautstarke Publikumsminderheit auf die Inszenierung, die dem Macht-, Mord- und Kriegsstück ein passend hartes Gesicht gibt: Buhs, wenn die Hexen ihr Terrain mit Urin markieren oder nackte Männerleiber kopfüber wie an Fleischerhaken baumeln. Aber am Ende gibt es dann acht Vorhänge unter Dauerapplaus!

Wieder morgen und am 27.12. (ausverkauft)

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