Anna Netrebko als Lady in Giuseppe Verdis "Macbeth"

Verführung zur Macht: Anna Netrebko eröffnet als Lady in Giuseppe Verdis „Macbeth“ die Opernfestspiele im Nationaltheater
Robert Braunmüller |
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Sie stolpert über die Totenschädel, die kalte Zigarette im Mundwinkel. Dann sinkt sie zusammen, ein Häuflein Elend. Auch das Feuerzeug versagt. Und dann beginnt Anna Netrebko in der Nachwandelszene zu singen: anfangs mit fahlen, abgerissenen Phrasen, fast sprechend. Dann mildert ihre Erinnerung an jene Morde, die sie nun in einem sanften Wahnsinn mit sanfterer Stimme gesteht.

Die Lady in Giuseppe Verdis „Macbeth“ ist eine Herausforderung: Der Komponist wollte keinen puren Schöngesang, sondern Ausdruck. Und den Regisseur Martin Kušej interessierte vor allem, wie diese Frau ihren schwachen Mann immer wieder zu Mord und Machtwahn verführt. Beides kommt nun, beim szenischen Rollendebüt der Netrebko in dieser Rolle zusammen: das Verführerische und ein gebändigter, gerundeter Ausdrucksgesang, der diese Rolle viel interessanter macht als die übliche Besetzung mit Stimmruinen.

Mit Vorsicht kommt man weiter

Das nachgedunkelte Timbre ist ideal für die Rolle. Die erste Arie singt die Netrebko mit brodelnder Erregung, in den schnellen Sätze und dem Trinklied verhärtet sie die Koloraturen dramatisch. Nur die samtig-weiche Tiefe, an sich ein Vorzug der Sängerin, passt hier nicht so recht. Dennoch: ein szenisch wie musikalisch rundum gelungenes Porträt. Die Vorsicht und Zurückhaltung, mit der die Russin ins dramatische Fach wechselt, scheint sich auszuzahlen.

Leider hatte die Sängerin keinen völlig angemessenen Partner. Simon Keenlyside musste seinen Kavalierbariton in den dramatischen Passagen leicht übersteuern. Und auch sonst singt er ein wenig zu kunstlos ungeformt. Paolo Carignani begleitete mit dem Bayerischen Staatsorchester sensibel, konnte aber in den Chören diverse Wackler nicht verhindern. Versöhnend wirkten dafür Ildar Abdrazakovs schwarzstimminger Banco und die festspielreife Luxusbesetzung des Macduff mit Joseph Calleja.

Kušejs düster-abgründige Inszenierung mit den bieselnden Hexen provoziert auch nach acht Jahren immer noch Buhs. Es ist schon seltsam, dass es offenbar noch immer Opernbesucher gibt, die das blutige Mord- und Macht-Stück „Macbeth“ als dekorativen Kostümschinken sehen wollen. Liebe Leute - haltet es mit der Netrebko und lasst euch auf Neues ein!

Noch einmal am 1. Juli im Nationaltheater, ausverkauft

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