Andreas Wiedermann über "Rienzi" von Richard Wagner
Adolf Hitler soll als Jugendlicher in Linz Richard Wagners Oper „Rienzi“ haben. „In jener Stunde begann es“, sagte er angeblich rückblickend. Die freie Gruppe Opera Incognita um Andreas Wiedermann (Regie) und Ernst Bartmann (Bearbeitung und musikalische Leitung) spielt Wagners Frühwerk im Hörsaal B 101 der Ludwig-Maximilians-Universität. Premiere ist am Samstag.
AZ: Herr Wiedermann, Hitler klebt an „Rienzi“ mehr als an jeder anderen Wagner-Oper. Warum ist das so?
ANDREAS WIEDERMANN: Er soll sich mit der Figur identifiziert haben - ein Volkstribun, der aus dem Nichts kam. In vielen Inszenierungen wird Rienzi mit charismatischen Führern wie Hitler oder Mussolini gleichgesetzt. So einfach wollten wir es uns nicht machen. Obwohl: Wären wir in der Türkei, könnte diese Oper 1:1 auch mit Erdogan funktionieren.
Aber nur die ersten drei Akte, nicht der Schluss. Wer ist dieser Rienzi eigentlich?
Ein päpstlicher Notar, den Wagner stark idealisiert hat. Die Oper spielt im 14. Jahrhundert, als die Päpste in Avignon residierten. Rom war damals ein Drecksloch. Es herrschte Bürgerkrieg. Rienzi besiegte die Adeligen. Er wurde zum Volkstribun, scheiterte aber an seiner Prunksucht und einer Steuerreform. Man lynchte ihn und schleifte die Leiche durch die Straßen.
Bei Wagner stürzt er sich ins brennende Kapitol.
Mit seiner Schwester Irene. Beide sterben für die Rom-Idee. Das ist eine seltsam platonisch-inzestuöse Beziehung. Wagner hat sich immer für so etwas interessiert, denken Sie an die Wälsungen oder das Nichte-Onkel-Verhältnis in den „Meistersingern“.
Warum sind Sie mit dieser Aufführung in einen Uni-Hörsaal gegangen?
Alle Figuren sind bei mir zuerst einmal Studenten. Sie besuchen eine Ringvorlesung zum Thema „Demokratie oder Demagogie – schlägt Europas Herz rechts ?“. Der Professor benutzt den Rienzi-Stoff als Feldversuch, um den Hörern die eigene Verführbarkeit vorzuführen. Auch die Zuschauer sind Studenten in diesem Hörsaal. Sie sitzen sehr nahe dran: Die ersten sieben Reihen sind Spielfläche, ab Reihe neun sitzt das Publikum.
Man ist also voll drin.
Es gibt auch kleinere Mitspiel-Aktionen, vor denen Sie sich aber nicht fürchten müssen. Der Hörsaal erinnert zugleich an ein Parlament und ist auch ein wenig düster. Seine Stühle sind etwa so bequem wie in Bayreuth. Diese Situation erlaubt uns ironische Brechungen von Wagners Heroismus und einen leichteren Umgang mit einigen Winkelzügen der Geschichte.
Meinen Sie damit auch die Hosenrolle?
Bei uns ist es einfach eine lesbische Studentin, die den Adriano spielt. Wolfgang Sawallisch hat die Rolle vor Jahren im Nationaltheater mit einem Bariton besetzt. Aber wir waren der Ansicht, dass in dieser Oper schon genügend Männer singen.
Ungekürzt wäre „Rienzi“ wohl Wagners längste Oper.
Wir haben möglicherweise seine kürzeste draus gemacht. Wagner selbst scheint bei der Komposition des vierten Akts über den Umfang erschrocken zu sein. Der vierte Akt mit dem entscheidenden Wendepunkt der Handlung ist eher kurz. Und der fünfte Akt wirkt trotz des berühmten Gebets nur noch wie ein Appendix.
Wie lang dauert es bei Ihnen?
Etwa drei Stunden mit Pause. Aber das ist schwer zu sagen, wir hatten bisher keinen kompletten Durchlauf. Ernst Bartmann und ich haben ordentlich gekürzt, vor allem bei den musikalischen Wiederholungen und in den Ensembles. Einen 16-stimmigen Chor aus dem Lateran können wir mit unseren 40 Sängern leider nicht aufbieten. Den haben wir uns gespart. „Rienzi“ ist im Unterschied zu anderen Wagner-Opern kein perfektes Stück, sondern ein Werk, das eine szenische Aufbereitung braucht.
Ist es schwer, einen Hörsaal für eine solche Aufführung zu bekommen?
Man kann diese Uni-Räume mieten. Eine Preisliste steht im Internet. Im Moment sind Semesterferien, da ist es kein Problem. Im September findet allerdings im Hauptgebäude ein großer medizinischer Kongress statt, der viele Räume belegt.
Letztes Jahr haben Sie Verdis „Stiffelio“ inszeniert, heuer Wagner. Nächstes Jahr ist müsste dann eigentlich Richard Strauss kommen.
Im 20. Jahrhundert stoßen wir leider an Grenzen. Bei Werken, die urheberrechtlich nicht frei sind, haben wir es schwer. Sie sind für Truppen wie die unsere nicht zugänglich. Die Verlage behaupten auch, man dürfte die Musik nicht bearbeiten. Aber bestimmte Opern von Strauss würden mich schon reizen.
Premiere am 27. August, weitere Vorstellungen am 3., 7., 9. und 10. September, 19 Uhr, Hörsaal B 101 der LMU München, Geschwister-Scholl-Platz 1, Karten 51 und 63 Euro