Andreas Kriegenburg inszeniert Schillers Maria Stuart

In den Kammerspielen inszeniert Andreas Kriegenburg Friedrich Schillers "Maria Stuart" ganz klassisch
von  Mathias Hejny

In den Kammerspielen inszeniert Andreas Kriegenburg Friedrich Schillers "Maria Stuart" ganz klassisch

Johann Wolfgang von Goethe war voller Vorfreude auf das Werk seines Freundes Schiller: „Mich soll nur wundern“, wird er von Schlegel vor der Uraufführung 1800 im Weimarer Hoftheater zitiert, „was das Publikum sagen wird, wenn die beiden Prostituierte zusammenkommen und sich ihre Aventuren vorwerfen“. Der Dichterfürst meinte die erste und einzige Begegnung der beiden Königinnen, die kurz vor der Pause der zentrale Dialog des fünfaktigen Trauerspiels ist. Das Desaster dieses Treffens ist vorprogrammiert. Im Park von Fotheringhay geht es nicht nur um die weibliche Rivalität zwischen der jüngeren, attraktiven sowie gattenmordenden und inhaftierten Maria Stuart und der altjüngferlichen, aber mächtigen Elisabeth.

Was will das Volk?

Wenn der dritte Akt von „Maria Stuart“ vorbei ist, haben sich die Konflikte aus Sex, Religion und Politik vollends unlösbar ineinander verknotet. Regisseur Andreas Kriegenburg hat es am Beginn der Szene auf der Bühne der Kammerspiele kräftig regnen lassen. Brigitte Hobmeier spielt das Erfrischende am südenglischen Klima hingebungsvoll – nach 19 Jahren im Kerker ist sie für eine kurze Zeit wieder im Freien. Bis dahin hat sie der Zuschauer weniger emphatisch erlebt, denn in der langen Haft hat sie eine seltsame Sprechweise entwickelt: Mit tiefer gelegter Stimme macht sie aus Friedrich Schillers Jamben-Gebirge einen langen, flachen Fluss von Silben. Zu Anfang spricht sie im Halbdunkel ihres Gefängnisses zudem nur knapp über der Hörbarkeitsgrenze.

Mehr oder weniger aber ist diese gepresste Diktion Eigenschaft fast aller Figuren: Auch bei Annette Paulmann wagt Elisabeth nicht die freie Rede. Nur, wenn ihr das Bizarre ihrer Lage selbst für einen Moment bewusst wird, gönnt sie sich einen erbitterten Scherz oder ein dumpfes Kichern. Das Gemäuer aus betongrauen Kuben, das Kriegenburg, der hier wie meist sein eigener Bühnenbildner ist, errichtete, ist für beide Damen das gleiche. Darin bewegen sich auch der königliche Beraterstab aus Grafen und Baronen – alle sind sie Gefangene ihrer politischen Funktion im filigranen Netz der Machtspiele und Intrigen.

Wolfgang Pregler als Talbot und Jochen Noch als Burleigh verstehen die Kunst, vom Hintergrund zur Rampe hin präsent zu sein. Nur manchmal wird nervös herumgewuselt; meistens belauert man sich statisch gegenseitig. Ein Satz Elisabeths ist Kriegenburg besonders wichtig: „Was will das Volk?“ Der geborene Magdeburger, Jahrgang 1963, inszeniert ein Stück deutscher Geschichte mit, in der auch aktuell darüber nachgedacht wird, was eigentlich das Volk will.

Und was will das Publikum?

Über das Verhältnis der Herrschenden über die Beherrschten zieht der Regisseur aber eine kunstinterne Metaebene ein und stellt die Frage: „Was will das Publikum?“ Die historisierend hochgeschlossenen Kostüme mit den Halskrausen (Andrea Schraad), das künstliche Rezitieren und die feierliche Bewegungslosigkeit gehören zu einem abgefeimten Retro-Stil, der dem Volk im Parkett seine eigenen Vorstellungen einer „klassischen“ Aufführungstradition um die Ohren schlagen will.

Dabei ging es Friedrich Schiller vermutlich um wirklich nicht mehr als „Aventuren“ in einem effektvoll gebauten Politthriller.

Münchner Kammerspiele, wieder am 6., 15., 26. Februar, 19 Uhr, Karten Telefon 233 966 00

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