Kritik

"Amors Fest" im Gärtnerplatztheater: Ein Sieg für Spanien

Das Barockspektaktel "Amors Fest" von Karl Alfred Schreiner und Howard Arman im Gärtnerplatztheater.
von  Robert Braunmüller
Claudio Monteverdis Madrigal "Tirsi et Clori" als Teil von "Amors Fest" im Gärtnerplatztheater.
Claudio Monteverdis Madrigal "Tirsi et Clori" als Teil von "Amors Fest" im Gärtnerplatztheater. © Marie-Laure Briane

München - In der Pause wird der Orchestergraben hochgefahren. Das hebt gleich die bis dahin etwas schläfrige Stimmung. Dann reißt es Sebástian Durón ganz heraus. Und wenn Sie sich nun fragen, ob es sich um einen neuen Star im Ensemble des Gärtnerplatztheaters handelt, müssen wir dies leider verneinen. Durón ist längst von uns gegangen. Er wirkte bis 1700 in Madrid am Hof des letzten spanischen Habsburgers und ist allenfalls Kennern der iberischen Musikgeschichte bekannt.

Eine durchlaufende Geschichte ist kaum zu erkennen

Der etwas vollmundig als "Barockspektakel" beworbene Abend "Amors Fest" durchquert die europäische Musik des Barock. Beim Franzosen André Campra groovt sich das Orchester auf den ungewohnten Sound ein. Der tänzerische Schwung der Musik reißt dennoch mit, wenn sich der Chor brav mit Stoffbahnen drapiert und Stadttheater-Bacchanten die herbstliche Weinlese feiern. Dann kehrt in Matthew Lockes "Cupid and Death" der Winter ein, wozu etwas Schnee auf Buchsbäumchen rieselt.

Eine durchlaufende Geschichte ist trotz redlichen Bemühens des Regisseurs Karl Alfred Schreiner kaum zu erkennen. Es geht - mehr irgendwie als konkret - um Liebe, Leben und Tod. Warum am Anfang zwei Rheintöchter hinter einem Schleier wabern, bleibt ein Rätsel. Dann entsteht eine leichte Bild-Text-Schere, wenn jemand auf französisch die Pracht der Örtlichkeit preist, die Bühne aber stockfinster bleibt. Dass es neben dem wie üblich als Hosenrolle erscheinenden Cupido noch einen männlichen Amor gibt, ist mehr was für mythologische Feinschmecker.

Man hält sich besser an den durchwegs erfreulichen Gesang von Mária Celeng, Anna-Katharina Tonauer, Levente Páll und Juan Carlos Falcón in den Hauptrollen. Nach der Pause folgen zwei Madrigale von Claudio Monteverdi. Dazu räkeln sich Sänger und Tänzer wie in einem firnisgebräunten französischen Salonkitschbild des 19. Jahrhunderts. Was aber nicht stört, weil das hochgefahrene Orchester mit einem schön gespielten Violinsolo und einer farbigen Continuo-Gruppe die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Das spanische Finale ist musikalisch viel abwechslungsreicher als alles zuvor Gehörte. Auf eine knappe Koloraturarie folgen ein Lamento der Altistin, ein lyrisches Arioso für Tenor und ein Buffo-Auftritt. An der abschließenden, wellenförmig gesteigerten und mit Kastagnetten und weiterem Schlagzeug nachgepfefferte Tanznummer kann man sich nur schwer satthören. Warum und wieso da ein Schlossherr feiert, spielt keine Rolle, wenn man sich im lang gezogenen Augenblick verlieren darf.

Stärkster Pluspunkt ist der für szenischen Schwung sorgende Dirigent 

Schreiners Inszenierung hat sich von der Pop-Ästhetik unzähliger Händel-Inszenierungen der letzten drei Jahrzehnte keinesfalls ankränkeln lassen. Die Arrangements sind hübsch symmetrisch, die Körpersprache zurückhaltend expressiv. Auf der Bühne steht ein merkwürdiges, zwischen "Lustige-Witwe"-Pavillon und Moschee changierendes Gebäude (Bühne: Heiko Pfützner). Natürlich muss Theater nicht realistisch sein. Doch das oft herumgeschobene, teilweise auch als Stuhl dienende Theaterbuchsbäumchen entwickelt in der letzten Viertelstunde eine absurde Kraft, die der Regisseur sonst vermeiden wollte.

Stärkster Pluspunkt von "Amors Fest" ist - neben dem historisch einigermaßen informiert spielenden Orchester des Gärtnerplatztheaters und den Solisten - der hoch engagierte, für szenischen Schwung sorgende Dirigent Howard Arman. Deswegen wäre es wünschenswert, wenn man sich in der Isarvorstadt weiter um Opern des 18. Jahrhunderts bemühen würde. Aber, wenn irgend möglich, mit etwas weniger szenischer Treuherzigkeit.


Wieder am 17. und 25. Oktober sowie am 12., 17., 27. und 29. November im Gärtnerplatztheater. Karten online und unter Telefon 2185 1960

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.