"Alles klappt" von Ondøej Adámek im Marstall
Weil dort, wo man singt, letztlich doch Harmonie herrscht, ist die Shoah ein heikles Thema für die Musik und das Musiktheater. Die gelungenen Beispiele lassen sich an einer Hand abzählen. Nun kommt ein Weiteres hinzu: „Alles klappt“ von Ondøej Adámek, uraufgeführt von der Münchener Biennale im Marstall des Residenztheaters. Adámek und seine Librettistin Katharina Schmid bringen den unmenschlichsten und brutalsten Aspekt der Deportation und Vernichtung der Juden auf die Bühne: die Shoah als deutschen Verwaltungsakt.
Sechs Sängerinnen und Sänger rezitieren als Sprechchor administrative Texte, die sich mit der Verwertung zurückgelassener Möbel und der Erfassung von Wertgegenständen befassen. Zwei Schlagzeuger greifen mit Pauke, Marimbafon und anderen sparsam eingesetzten Instrumenten die Zischlaute der Sänger auf und verarbeiten diskret und trocken die kinderliedartigen Rhythmen der Sprache. Dass diese Geräusche an das melodisch hämmernde „Dadamm-dadamm“ fahrender Züge erinnert, dürfte beabsichtigt sein.
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Die wiederholte Verpackung einzelner Gegenstände in Plastikfolien durch die Darsteller bildet so etwas wie ein Leitmotiv. Immer wieder wird betont, dass die zentrale Zusammenfassung der geplünderten Gegenstände die Chance einer Wertsteigerung biete.
In der zweiten Hälfte kommen die Opfer zu Wort. Das Sprechen geht in erst solistischen, später chorischen Gesang über, die Schlaginstrumente werden dunkler und weicher. Die Musik verarbeitet Postkartentexte aus den Vernichtungslagern, deren Insassen versichern, dass es ihnen gut gehe und alles in bester Ordnung sei. Zuletzt werden einige Gegenstände in Erde begraben.
„Alles klappt“ erzählt von diesen Vorgängen in einer bestürzenden Nüchternheit. Grausamkeit und Gewalt wird nur durch die Registrierung einer geflochtenen Peitsche angedeutet. Die Kälte, mit der die Verwaltung des Todes hier vorgeführt wird, ohne dass jemals vom Tod die Rede ist, macht diesen 75 Minuten kurzen Abend so eindringlich.
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