Alfred Dorfers "Spinnen" im Lustspielhaus
Die Aufträge liegen für Kunstschaffende nicht unbedingt auf der Straße. Insofern ist es nur allzu verständlich, dass man als Autor sofort zu jeder Schandtat bereit ist, wenn da eine Theaterdirektorin im Vorbeigehen ein Stück haben will. Die Direktorin auf der Bühne des Lustspielhauses, mit blondperückter Kühle gespielt von Kathrin Stahl, untermauert dabei ihren Machtstatus, indem sie dem Autor nicht ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt, sondern nebenbei am Telefon hängt.
Ob es denn eine Komödie oder Tragödie sein soll, will der von Arnd Schimkat wieselig-sympathisch gespielte Autor wissen. Na, eine Komödie soll es sein, so die Direktorin, eine intelligente, lustvolle, tragisch auch irgendwie. Und was Leichtes soll sie haben, so wie das Clubsandwich, das sie sich am Telefon bestellt…
Personen suchen ihren Autor
Womit die Erwartungshaltung ziemlich genau definiert wäre, die man gegenüber einer von Alfred Dorfer geschriebenen Komödie hat. Der österreichische Kabarettist, der einst mit Josef Hader „Indien“ schrieb und 1991 in Wien uraufführte, gefolgt von einem zum Kult avancierten Film, legt mit „Spinnen“ ein Stück über die Leiden und Untiefen des kreativen Prozesses vor, im Gefolge von Pirandellos Klassiker „Sechs Personen suchen einen Autor“ und Woody Allens „Purple Rose of Cairo“.
Wenn das Theater sich mit sich selbst beschäftigt, kann das ja sehr heiter werden – vielleicht erhofft sich das Lustspielhaus mit „Spinnen“ einen ähnlichen Erfolg wie es „Der nackte Wahnsinn“ jahrelang war. Die Anlage von Dorfers Stück ist auch vielversprechend, macht sich doch der Autor im Stück sofort daran, mehrere Figuren zu erfinden, die nacheinander in Fleisch und Blut auf der Bühne erscheinen.
Leicht automatenhaft wirken diese frisch erdachten Charaktere im Lustspielhaus, wie schrill gekleidete Puppen (Kostüme: Jennifer Dieth), die noch gar nicht so recht mit ihrem aufkeimenden Bewusstsein umgehen können. Etwas Widerstandsgeist haben sie dennoch von Anfang an, etwa die von Ines Hollinger energetisch gespielte Regina. Mit großen Augen blickt sie in die Welt, in die sie gerade hineingeworfen wurde, und fordert vom Autor prompt eine Hintergrundgeschichte ein, die sie skeptisch hinterfragt.
Im Schrebergarten
Insgesamt erweist sich der Prozess des Geschichten- und Figurenspinnens als Ping Pong zwischen dem Schöpfer und seinen Kreationen, ja, einen dramatischen Konflikt müsse es doch geben, findet der Autor, und seine Figuren liefern ihm dazu einige schräge Vorschläge. Auf der Wand, die Bühnenbildner Johannes Sternagel zur Begrenzung der Spielfläche aufgebaut hat, kündet eine grüne Tapete von der Schrebergartenatmosphäre, die der Autor für das Aufeinandertreffen zweier Paare ausgewählt hat. Das farnig-blättrige Dickicht hat jedoch auch was von einem Dschungel, in dem man sich leicht verirren kann.
So wild wie diese Vegetation sollten wohl auch die Ideen des Autors wuchern, aber die Figuren sind von ihm so dumpf und klischeehaft angelegt, dass man sich von Anfang an nicht für sie interessiert. Das mag sogar Dorfers Kalkül gewesen sein: dass hier ein männlicher Autor sich in seinen Schöpfungen als schwachköpfig-sexistisch entlarvt, auf dass sie gegen ihn aufbegehren.
Aber selbst, als die Vier ihn mit Klebeband fesseln und die Herrschaft im Schrebergarten übernehmen wollen, gewinnen sie kaum an Konturen: weder die springlebendige Regina noch die zunächst dickbusig aufgeblasene, herzig-doofe Bella (Miriam Ohlmeyer). Die Männer im Bunde, der Gitarre spielende Jan (Frederik Bott) und der aufrührerisch gestimmte Thomas (Sebastian Edtbauer), bleiben ebenfalls tumbe Dimpel, während Kathrin Stahl im Thujenhecken-Kostüm irgendwie auch noch mitmischen darf.
Grausam unlustig
Ähnlich wie der vor sich hin lavierende Autor im Stück war Dorfer beim Schreiben offenbar wenig inspiriert. Wenig bis gar keine Pointen sind ihm eingefallen, das Stück ist über weite Strecken grausam unlustig. Wieso es einem versierten Kabarettisten wie ihm nicht gelungen ist, wenigstens ein paar komische Funken zwischen dem Autor und seinen Figuren zu schlagen, mag man nicht verstehen. Wieso das Lustspielhaus dieses missglückte Werk nun zur Uraufführung gebracht hat, noch weniger.
Um diesen Salat aus Theater-Komödie und halbgarem Kabarett über Kreativität, Demokratie, Rebellion und (Meinungs-)Freiheit zu retten, hätte Regisseur Julius Grimm ein inszenatorisches Wunder vollbringen müssen. Und den engagiert auftretenden Schauspielerinnen und Schauspielern, die sogar als „neues Lustspielhaus-Ensemble“ firmieren, wünscht man für zukünftige Zusammenarbeiten wesentlich besseres Material. „Wo bin ich?“, fragt Regina einmal den Autor. „Im falschen Stück!“, erwidert der. Womit das Gefühl im oftmals stillen Zuschauerraum perfekt beschrieben wäre.
Lustspielhaus, Occamstraße 8, weitere Vorstellungen am 12. Februar und am 1. Mai, 20 Uhr, Karten Telefon 34 49 74
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