Alexander Krampe über "La finta semplice" in Nymphenburg

Eingedampft und aufgedampft: Der Mozart-Arrangeur Alexander Krampe über Lust und Last privater Operntruppen und „La finta semplice“ in Nymphenburg
Robert Braunmüller |
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In der letzten August-Woche bringt die Münchner Kammeroper traditionell im Hubertussaal eine Neuproduktion heraus – meistens ein Werk des 18. Jahrhunderts. Diesmal ist es „La finta semplice“, Mozarts erste abendfüllende Oper. Kaiser Joseph II. bestellte sie 1768 beim zwölfjährigen Komponisten. Uraufgeführt wurde sie ein Jahr später in Salzburg.

AZ: Herr Krampe, was reizt Sie am frühen Mozart?

ALEXANDER KRAMPE: Erstens: Ein Name ist ein Name. Unbekannte Komponisten sind gefährlich für die Kasse. Mit unserem „Kaspar Hauser“ nach Opern von Schubert haben wir ein sattes Defizit gemacht. Es war schön, aber offenbar zu schwierig.

Werden die frühen Opern Mozarts nicht überschätzt?

Das glaube ich nicht. Mozart hatte auch schon mit zwölf Jahren ein erstklassiges Temperament. Nehmen Sie Humperdinck, den Komponisten von „Hänsel und Gretel“. Der war ein erstklassiger Tonsetzer, aber er hatte zu wenig Temperament.

Trotzdem: Mozart komponierte damals doch recht schematisch.

Deshalb muss auch der Rotstift ran. Und die Musik verträgt das Eindampfen. Die Arien und Ensembles sind für uns zu lang. Ich habe sie strukturell gekürzt und aus 200-taktigen Nummern 40-taktige gemacht. Die Orchestrierung habe ich im Stil des späten Mozart aufgedampft: mehr artikulierende, die Figuren charakterisierende Bläser, interessantere Streicherbewegungen. Eine Bratsche darf auch einmal mehr als einen Bass spielen. Und ein Akkordeon schafft Platz für Virtuosentum. Die Rezitative haben wir gekürzt, vieles wird gesprochen. Und es bleibt trotzdem Mozart.

Wieviel Musik ist übriggeblieben?

Das Original dauert dreieinhalb Stunden, bei uns sind eine Stunde und 50 Minuten übrig geblieben. Alle Nummern sind aber drin.

Worum geht es in der Oper? Wer ist die „verstellte Einfalt“?

Die Vorlage ist von Carlo Goldoni. Eine Frau hat einen Geliebten, der bei seinen beiden Tanten wohnt. Die geben ihn aber nicht frei. Daher verkleidet sich die Frau als Mann und macht die beiden Tanten kirre. Am Ende kriegt sie, was sie will.

Wird da nicht leicht „Charleys Tante“ draus?

Unser Regisseur Dominik Wilgenbus meinte neulich auch, uns werde bald unterstellt, wir würden nur noch Travestie-Stücke machen. Aber die Verkleidung gehört zur Operntradition des 18. Jahrhunderts, die von der Commedia dell’arte beeinflusst ist. Leider ist es fast unmöglich, diese Stoffe in die Gegenwart zu versetzen.

Sie könnten ja eine neue Oper komponieren, statt Mozart zu bearbeiten?

Das wär’s eigentlich. Aber die Chance, besser als Mozart zu komponieren, ist gering. Und selbst wenn es besser wäre, müsste es das Publikum auch noch annehmen. „La finta semplice“ ist von Mozart. Die Oper ist witzig, und unsere Aufführung geht kreativ mit dem Stück um. Mehr kann man von der Gegenwart nicht erwarten.

Was reizt Sie am Hubertussaal?

Die Atmosphäre von Schloss Nymphenburg ist so stark, dass etwaige Nachteile kreativ ausgeglichen werden können. Die „Finta“ ist divergierender: Es gibt eine Bühne auf der Breitseite, die Peter Engel mit Schubladen originell gestaltet hat.

Wie finden Sie die Sänger?

Wir haben gute Kontakte zu Gesangs-Professoren an Musikhochschulen: etwa zu Konrad Jarnot in Düsseldorf, Julie Kaufmann in Berlin und Edith Lienbacher in Wien. Da fahren Christophe Gördes, Dominik Wilgenbus und ich hin und hören uns junge Studenten an.

Wie finanziert sich die Kammeroper München?

Wir brauchen eine Auslastung von 85 Prozent, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Ein Zehntel der Produktionskosten kommt von der Regierung von Oberbayern. Der Rest sind Mäzene, Sponsoren und über den Kartenverkauf. Das ist der Triathlon des modernen Kulturschaffenden.

Warum werden private Operntruppen öffentlich kaum gefördert?

Der Staat fördert ungern Projekte in München. Bei der Stadt muss man zeitgenössisch sein. Mozart geht da nicht – der ist zu kommerziell. Am Ende landen Sie bei „Hänsel und Gerd in Theresienstadt“. Das wäre vielleicht innovativ genug.

Premiere am 27. August, 19.30 Uhr im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg. Weitere Aufführungen bis 20. September, am 29., 30. August sowie 5., 6. um 15 Uhr in einer Fassung für Kinder als „Wolferl hat keine Zeit“. Karten unter Telefon 54 81 81 81

 

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