Albert Ostermaier über "Phädras Nacht"

Albert Ostermaier und Martin Kušej erarbeiten mit „Phädras Nacht“ im Residenztheater eine neue Lesart eines Klassikers
Mathias Hejny |
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Nils Strunk (Hippolyt) und Pauline Fusban (Aricia).
Mathias Horn/Residenztheater 4 Nils Strunk (Hippolyt) und Pauline Fusban (Aricia).
Bibiana Beglau als Phädra.
Mathias Horn/Residenztheater 4 Bibiana Beglau als Phädra.
Nils Strunk (Hippolyt) und Aurel Manthei (Theseus).
Mathias Horn/Residenztheater 4 Nils Strunk (Hippolyt) und Aurel Manthei (Theseus).
Nils Strunk (Hippolyt) und Bibiana Beglau (Phädra).
Mathias Horn/Residenztheater 4 Nils Strunk (Hippolyt) und Bibiana Beglau (Phädra).

Albert Ostermaier und Martin Kušej erarbeiten mit „Phädras Nacht“ im Residenztheater eine neue Lesart eines Klassikers

Während der Intendanz von Eberhard Witt war er für kurze Zeit Hausautor am Max-Joseph-Platz. Aber dem Residenztheater stand der Münchner auch darüberhinaus nahe. Zuletzt hatte Albert Ostermaier vor drei Jahren Flauberts Roman „Madame Bovary“ mit Sophie von Kessel in der Titelrolle bearbeitet. Zusammen mit Intendant Martin Kušej schrieb er nun „Phädras Nacht“. Die Tragödie der Gattin des Königs Theseus, die sich nach dessen vermeintlichem Tod in den Stiefsohn Hippolyt verliebt und von ihm zurückgewiesen wird, wird in der neuen Fassung verknüpft mit dem Schicksal deutscher Soldaten in Afghanistan und die Debatte um Flüchtlinge. Die AZ sprach mit Ostermaier vor der Uraufführung am kommenden Sonntag.

AZ: Herr Ostermaier, es ist ungewöhnlich, dass der Autor und der Regisseur gleichberechtigt genannt werden. Wie ist es dazu gekommen?
Albert Ostermaier: Albert Ostermaier: Wir kennen uns seit fast 30 Jahren und die Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren intensiviert, angefangen vom „Faust“ bis hin zur „Entführung aus dem Serail“ in Aix-en-Provence.

Wer hatte die Idee für „Phädra“?
Martin Kušej. Seine Idee war, aus den vielen Phädra-Stoffen und ihren Lesarten ein Stück zu komponieren, um zu sehen, was der Mythos für das Heute noch hergibt. Es ist oft so, dass über die Spiegelfunktionen antiker Texte viel deutlicher und viel schärfer dargestellt werden kann, als wenn man es eins zu eins macht. Natürlich kann man etwas schreiben über Familiendramen plus Flüchtlinge, aber in der Archaik liegt eine größere Wucht.

Sind Sie bei den Proben dabei?
Ja, wir reden immer zusammen. Martin Kušej ist ein genialer Regisseur, dem man natürlich nichts erklären muss. Aber wir sind immer im Gespräch, tauschen uns aus, verändern Dinge und kürzen. Es ist toll! In dem Moment, wenn man den Raum hat und sieht, wie die Schauspieler mit ihren Körpern ihre eigenen Sprachen entwickeln und was da alles schon ausformuliert ist, ist es oft stärker, vom Text etwas wegzunehmen. Es ist manchmal so, dass man sich von Sätzen, auf die man besonders stolz ist, trennen muss, weil sie stärker aufgeladen sind, wenn sie nicht gesagt werden.

Mit Bibiana Beglau als Phädra haben Sie allerdings auch eine Castorf-gestählte Schauspielerin mit besonderer Präsenz zur Verfügung.
Ich habe immer an die Bibi gedacht. Wenn ich für eine solche Schauspielerin schreibe, weiß ich natürlich, dass ich alles schreiben kann, weil sie alles spielen kann. Sie ist eine Multiplikation von all dem, was ich mir vorstellen kann.

Als Phädra-Bearbeiter haben Sie prominente Vorgänger: Euripides, Ovid, Seneca oder Racine mit Schiller als Übersetzer.
Da fehlt nur noch Heiner Müller.

Wer hat Sie am meisten beeinflusst?
Ich war schon immer Euripides-Fan. Ich plane auch schon lange ein Stück über Euripides und sein sehr dramatisches Ende. Racine natürlich ja: Das ist sicherlich das psychologisch Spannendste. Ich mag aber die Liebe der Schiller-Übersetzung. Bei dieser Musikalität und sprachlichen Verdichtung vermisst man das Französische nicht.

Wie stellen Sie den Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan her?
Die Grundkonstellation steht in einem archaischen, geradezu postapokalyptischen Raum, in dem vielleicht unsere unmittelbare Zukunft gezeigt wird. Es gibt bei uns sogenannte „national befreite Zonen“, wo die Rechtsradikalen und die Neonazis jedes Detail des Alltags bestimmen. Theseus war dort so etwas wie ein „Führer“, der auch seine Geschäfte macht mit Drogen aus Afghanistan. Er schickt seinen Übersetzer Hippolyt zurück, der für die anderen der Flüchtling, das Feindbild des Fremden ist. Dann kommt es zu den verschiedenen Liebeskonstellationen, wie wir sie aus der „Phädra“ kennen. Was mir ganz wichtig in dieser Debatte ist, was wir an Fremd- und Feindbildern haben, was Flucht und Flüchtling ist, was Gewalt, Liebe und Leitkultur sind. Diese Fragen werden hier einfach ganz existenziell.

Residenztheater, Premiere am 7. Mai, 19 Uhr, Karten unter Telefon 21851940

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