Adele Spitzeder auf der Iberl-Bühne
Huldvoll blickt der Kini aus seinem Bilderrahmen auf die Wohngemeinschaft zweier sehr unterschiedlicher Frauen. Das lesbische Duo gehört zu den populärsten Kriminellen Bayerns.
Sie waren nicht Sozialrebellen wie die Wilderer Kneißl oder Jennerwein, sondern ruinierten ohne Ansicht des gesellschaftlichen Stands die Reichen und die Armen gleichermaßen.
Allgemein Menschliches wie Gier und Dummheit nutzte Adele Spitzeder, ihre eigene prekäre Finanzlage zu beenden.
Das Stück, mit dem die Iberl-Bühne jetzt die neue Saison eröffnete, ist nicht die erste Dramatisierung des Münchner Betrugsskandals aus den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts.
Martin Sperr schrieb eine 1977 erstmals gespielte Moritat darüber, wie schlicht Kapitalismus funktioniert. Die "Madame Diridari" wusste das ganz intuitiv. Zwar war sie Berlinerin, aber im nun uraufgeführten "Adele Spitzeder oder Wia mas Spui spuit" spricht sie ein krachertes Münchnerisch.
Während sie die Banknoten zählt, die ihr gerade wieder gutgläubige "Investoren" ins Haus flattern ließen, stellt sie fest: "Wenns laaft, dann laafts!" Das neue Stück im Augustiner Stammhaus ist eine "fast ernstgemeinte Hommage an die erste bayerische Privatbank", geschrieben vom Schauspieler Florian Günther. Ganz im Stil des vor zwei Jahren gestorbenen Theatergründers Georg Maier inszenierte er seinen Text selbst und übernahm eine Rolle.
Günther spielt den Journalisten Cornelius von Statten, der in einem journalistischen Undercover-Einsatz die Machenschaften aufdecken könnte, aber dann von der Spitzeder für viel Geld gekauft wird und die Zeitung, für die er schreibt, gleich dazu. Konsequent behält er das Volksstück im Komödienmodus. Weder die Welt der Bauern oder der Tagelöhner, die ihr weniges Erspartes in der Hoffnung auf die exorbitante Verzinsung hergaben, noch Bankrott und Gefängnis der Schneeball-Bankerin kommen vor.
Es gibt sogar ein Happy End, wenn auch überschattet von der leisen Ahnung, dass sich Dinge ändern - und das nicht immer zum Besseren.
Prachtvolle Opfer sind der ebenso reiche wie ungehobelte Bierbrauer Oachinger (Jörg Herwegh) und sein ziemlich depperter Sohn (Florian Freytag). Wenn der Vater-Sohn-Konflikt schäumt wie eine helle Halbe, geht es rustikal zu.
Die vor allem im Mittelteil immer wieder spürbar werdende Holterdipolter-Dramaturgie gleichwohl ist nicht zuletzt auch genrebedingt.
Sehr fesch hingegen ist die Theaterchefin Raphaela Maier als betont bildungsferne Geliebte und Hausmädchen der Betrügerin. Die ist von ihrem früheren Beruf als Schauspielerin und Sängerin noch geprägt und kommt bei Daniela März als sympathisch schlitzohrige Rampensau mit wuchtiger Präsenz auf der kleinen Bühne an.
Sogar Selbstzweifel klingen bei ihr wie eine Hymne auf sich selbst: "Manchmal hab i Angst vor meiner eignen Gscheitheit".
Iberl-Bühne im Augustiner, Eingang Herzogspitalstraße 6, nächste Vorstellungen am 3., 4., 10. bis 13., 24. bis 26., 29. und 30. November, Beginn um 20 Uhr, sonntags 14 Uhr, Karten unter Telefon 794214, iberlbuehne.de
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