Adam Cooper über "Candide" von Leonard Bernstein

Die beste aller möglichen Welten: Adam Cooper inszeniert Leonard Bernsteins Musical „Candide“ in der Reithalle
von  Robert Braunmüller

Vor über 15 Jahren brachte der damalige Intendant Klaus Schultz am Gärtnerplatz schon einmal „Candide“ heraus – in einer Konzertfassung mit Loriot als Erzähler. Es war ein legendärer Erfolg. Nun wagt das gleiche Haus dieses heikle Musical von Leonard Bernstein in der Reithalle zum ersten Mal szenisch. Die musikalische Leitung hat Marco Comin, der Brite Adam Cooper inszeniert.

AZ: Mr. Cooper, reicht bei „Candide“ nicht das imaginäre Theater im Kopf?

ADAM COOPER: Die Figuren und ihre Gefühle bekommen erst auf einer Bühne wirkliches Leben. Aber „Candide“ ist als personenreiches Stück mit einer komplizierten Handlung nicht leicht zu inszenieren. Und es stimmt: Das Publikum liebt dieses Werk vor allem wegen Leonard Bernsteins Musik. Daher hat es auch konzertant viel Erfolg.

Bernstein hat „Candide“ oft umgearbeitet. Für Sie keine Warnung, dass mit dem Stück etwas nicht in Ordnung ist?

Die Uraufführung war 1956 ein Flop, weil die Geschichte zu kompliziert war. Später wurde „Candide“ zu einem Einakter umgearbeitet. Diese Version brachte es 1974 am Broadway auf 740 Vorstellungen. Die Fassungen unterscheiden sich vor allem in der Reihenfolge der Musiknummern. Ich bevorzuge die Version der Scottish Opera – die letzte szenische Version, an der Bernstein beteiligt war.

Welche Geschichte erzählt dieses Musical?

Die Vorlage ist ein satirischer Roman von Voltaire. Candide wächst behütet in Westfalen auf. Sein Lehrer Pangloss behauptet, dass er in der „besten aller möglichen Welten“ lebt. Im Verlauf des Stücks reist Candide durch die ganze Welt. Er gerät in Naturkatastrophen und wird in kriegerische und religiöse Konflikte verstrickt, doch nichts bringt ihn von seiner Ansicht ab, dass alles, wie es passiert in Ordnung ist.

Das wirkt nicht unaktuell, um es vorsichtig zu sagen.

Auch unsere Zeit ist voll von politischen, religiösen und wirtschaftlichen Konflikten. Wir wissen nicht, warum wir auf diesem Planeten leben. Aber wir sollten versuchen, das Beste draus zu machen. Und zu überleben und zu leben. So verstehe ich die Geschichte.

Sie waren früher Tänzer. Hilft das bei „Candide“?

Es ist kein Tanzmusical. Das Erzählen der Geschichte steht im Zentrum. Aber die Erfahrung als Choreograf hilft, den Chor in Bewegung zu halten. Für mich war es ein natürlicher Schritt, nach der choreografischen Mitarbeit in vielen Inszenierungen selbst die Regie zu übernehmen.

Mögen Sie die Reithalle?

Ich habe den „Mann von La Mancha“, „Cinderella“ und „Frankfurt Diaries“ hier gesehen. Der Raum ist sehr vielseitig. Ich habe mich mit dem Bühnenbildner Rainer Sinell dazu entschlossen, das Publikum wie in einem Amphitheater hart am Geschehen zu platzieren. Das Orchester sitzt im Hintergrund – wo in einem Guckkasten die Bühne wäre. Die Reithalle ist der perfekte Ort, um eine Reise durch die ganze Welt darzustellen und damit ideal für „Candide“.

Sie kommen vom Londoner West End. Ist das noch immer das große Musical-Paradies?

In London werden immer noch sehr viele Musicals uraufgeführt. Aber nicht alles, was aus dem West End kommt, ist automatisch gut. Wenn man dort mit einer Sache Erfolg hat, wird einem leicht ein Etikett aufgeklebt. Man kommt schwer an andere Aufgaben. Das ist im deutschsprachigen Theater leichter.

Arbeiten Sie gern hier?

Ich finde, dass man nicht zu lange am selben Ort bleiben sollte. Man wird zu bequem. Mir macht es Spaß, an ein Theater zu kommen, wo ich niemanden kenne. Ich wachse durch neue Erfahrungen.

Premiere heute, 19.30 Uhr, ausverkauft. Bis bis 3. Januar in der Reithalle, Heßstraße 132, Infos unter Telefon 21 85 19 60 und www.gaertnerplatztheater.de

 

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