Abdullah Kenan Karaca inszeniert „Volpone“

Manchmal reicht schon ein erstes Bild, und schon ist alles vorweg genommen. Auf einer braunen Geldtruhe steht der Diener Mosca, um ihn herum ein Ambiente wie bei einer Begräbnisfeier. Überall weiße Blumen. Aus den Seitentüren des Bühnenbilds von Vincent Mesnaritsch treten weitere Figuren und passieren von einer Seite auf die andere, verschwinden wieder. Aber Mosca bleibt. Bewegt lippensynchron seinen Mund zu einer Aufnahme der Händel-Arie „Lascia ch’io pianga“, scheinsingt voller Inbrunst. Dieser Typ tut so, als ob. Klaut sogar Stimmen. Und hat das Geld schon unter sich.
Er spielt todkrank, um die Erbschleicher zu täuschen
Das Stück „Volpone“ hat Shakespeare-Zeitgenosse Ben Jonson im Jahr 1606 verfasst. Später hat sich Stefan Zweig mit dieser Komödie auseinandergesetzt, wobei verschiedene Titel seiner Überarbeitung kursieren, erneut „Volpone“ oder „Mosca und Volpone“, womit eine Rangfolge gegeben ist, die auch Abdullah Kenan Karaca in seiner Inszenierung betont: Ganz im Zentrum steht nicht der Venezianer Volpone, der sich todkrank gibt, um ein Umfeld heuchlerischer Erbschleicher zu täuschen. Sondern sein Gehilfe, der die Strippen zieht und zuletzt die Oberhand gewinnt. Der Diener als Chef, als Sieger.
Die Show gehört dann auch vor allem Jakob Immervoll. Den Namen muss man sich merken: Immervoll. Der gebürtige Wiener hat sein Schauspielhandwerk in Hamburg gelernt, am Volkstheater ist er seit dieser Spielzeit im Ensemble. Als Mosca zieht er alle Register. Wie in seinen Augen Schalk und List aufblitzen, wie er seinen Körper windet und wendet, wie er im Ton changiert, verführerisch flötet, dann überraschend direkt wird, wie er sich, allein auf der Bühne, entfesselt und wie ein Geißbock über die Bühne galoppiert - das ist eine wahre Freude. Er ist die Entdeckung des Abends.
Wobei alle mit Vollgas in die Typen der Commedia dell’arte gehen, die in dem Stück lauern und durch die famosen Kostüme von Elke Gattinger noch mehr ins Auge springen. Der Spaß an der Charge überspielt dabei buchstäblich manche Längen des fast dreistündigen Abends. Denn Karaca und seine Dramaturgen Katja Friedrich und Nikolai Ulbricht verpassen dem Text zu wenig Striche: Viele Szenen rollen minutenlang ab, während man als Zuschauer schon längst kapiert hat, dass es wieder um das Geld und den Geiz und das durchtriebene Spiel mit dem Geiz geht: Pinke, pinke, money, money… Wenn eine Figur auftaucht, dann will sie an Volpones Geld - und wird letztlich selbst ausgenommen.
Silas Breiding wirft sich als Volpone wuchtig und im Duett mit Immervoll knallkomisch ins Doppelspiel, markiert im Krankenbett so lange den Schnarcher, bis man befürchten muss, dass er hyperventiliert. In Breidings Blicken liegt eine obsessive Wut auf die Gier der anderen, die sein Diener nicht teilt. Mosca hat Lust am Spiel. Volpone aber will die Menschen zerstören, was beide entzweit.
Beim Spiel um die sexuelle Macht haben die Frauen die Hosen an
Sex spielt als Teiltrieb eine Nebenrolle, wobei die Frauen die Hosen an haben. Corvino, von Jonathan Hutter sehr witzig als eifersüchtelnder Fatzke gespielt, steht unter der Fuchtel seiner Frau Colomba (Carolin Hartmann). Die nymphomane Canina (Nina Steils) lockt den alten, gierig geifernden Corbaccio nach Belieben – in Sachen Spiellust steht Peter Mitterrutzner den jungen Darstellern in nichts nach. Allein Corbaccios enterbter Sohn (Yannik Stöbener) kämpft um so was wie Ehre, hat stets das Schwert in der Hand, scheitert aber vor dem hohen Gericht, das die Regie unsichtbar über den Köpfen der Zuschauer platziert. Und auch Anwalt Voltore (Jonathan Müller) beugt das Recht.
Einen finalen Twist hat Karaca für den siegreichen Mosca parat. So beschließt Jacob Immervoll einen Abend, in dem die Schlichen für die Zuschauer allzeit deutlich offen liegen. Das kann man so machen, besonders mit solchen Schauspielern. Wer derzeit zuverlässig Spaß im Theater haben will, der sollte ins Volkstheater gehen. Das vor Talenten berstende Ensemble ist immer für eine Überraschung gut.
Volkstheater, 5., 10., 25.Dezember, 2., 8., 21. Januar, 19.30 Uhr; Karten unter Telefon 523 46 55