Abdullah Kenan Karaca inszeniert „Verstehen Sie den Dschihadismus in acht Schritten!“

"Zucken“ lautet der Untertitel des kürzlich im Berliner Maxim-Gorki-Theaters uraufgeführten Stücks. Der ist nicht nur kürzer, sondern vor allem rätselvoller als der Haupttitel. Dafür verspricht dieser etwas, was die Autorin Sasha Marianna Salzmann gar nicht halten will: „Verstehen Sie den Dschihadismus in acht Schritten!“ Auch nach den 90 Minuten wird niemand wirklich und endlich begreifen, was in den Köpfen junger Menschen vorgeht, die sich für Gewalt und Terror entscheiden.
Eine Reaktion kann das Zucken der Achseln sein „als wäre es Gleichgültigkeit“, heißt es einmal im Text - „dabei waren es die zuckenden Nerven“. Irgendwie liegen Nerven blank, und das nicht in Kabul oder Aleppo, sondern inmitten des befriedeten, wohlhabenden und aufgeklärten Deutschland. Ort der Handlung könnte eine Großstadt wie München sein oder eine Gegend wie das beschauliche Mittelfranken. Hier wurden Menschen bei einem Amoklauf getötet, dort Touristen von einem Islamisten mit Axthieben schwer verletzt.
Böse Scherze
Beide Ereignisse werden, wie weitere ähnliche, eher beiläufig erwähnt. Salzmann geht es um Momente vor der Tat. Den kleinen, bösen und irreführenden Scherz der Autorin, sie biete einen Leitfaden durch islamistische Ideologie, setzt Regisseur Abdullah Kenan Karaca mit dem Bühnenbild von Sita Messer fort. Auf der Kleinen Bühne steht ein Raum aus weißen Kacheln mit schwarzen Kreuzen mit der Anmutung eines Hamam, eines türkischen Dampfbads.
Dieser orientalische Ort der Entspannung kann das Zimmer eines Mädchens sein, das einsam mit einem Gotteskrieger chattet und sich von seinen klaren Antworten beeindrucken lässt. Oder die nach altem Fett riechende Wohnung, in der ein russisch-ukrainisches Schwulenpärchen den Plan ausheckt, abzuhauen und in den Krieg zu ziehen. Oder auch die 240-Quadratmeter-Luxuswohnung eines Mannes und einer Schriftstellerin. Eines Tages dreht er durch, vergewaltigt seine Frau, prügelt sie zu Klump und geht mit einem Gewehr auf die Straße.
Karaca schickt seine vier Darsteller mit hohem Druck und erstaunlich viel Situationswitz durch die in sich noch einmal fragmentierten Episoden. Obwohl der Text keine Rollenzuschreibungen hat, gelingen Carolin Hartmann, Julia Richter, Jakob Geßner und Jonathan Müller aus dem monologischen, dialogischen oder chorischen Sprechen fast psychologische Figurenzeichnungen.
Das Unverständnis des Dschihadismus bleibt, hat aber einen gewissen Unterhaltungswert.
Münchner Volkstheater, 26. April, 17. Mai, 20 Uhr, 5., 6. Mai, 19.30 Uhr, 20. Mai, 18 Uhr, Telefon 5234655