Abdullah Kenan Karaca inszeniert „Die Präsidentinnen“

Abdullah Kenan Karaca inszeniert im Volkstheater den Trash-Klassiker „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab
von  Matthias Hejny

Es gibt etwas zu feiern, denn Erna hat einen Farbfernseher gekauft. Seine Taufe erlebt das Gerät im Beisein von Grete und Mariedl mit der Übertragung einer Messe von Papst Johannes Paul II. Die drei Damen sind „Die Präsidentinnen“, denen der österreichische Dramatiker Werner Schwab in seinem Erstling diesen Titel verlieh.

Es sind Frauen, die immer das letzte Wort beanspruchen, doch in Wirklichkeit sind sie gesellschaftlich auf dem letzten Platz. Sie sind Putzfrauen, die bestenfalls im Reich der Sanitärkeramik herrschen.

Ausscheidungen in jeder Konsistenz sind handlungstragend

Die Kinder der beiden älteren verweigern sich schon lange: Ernas Sohn ist im Widerstand und lässt die Mutter auf ihrem dringenden Enkelwunsch sitzen, Gretes Tochter ist weitestmöglich im Exil und lebt in Australien. Mariedl ist die jüngste des Trios und beseelt sowohl vom Katholizismus als auch von ihrer besonderen Kompetenz im Beruf: Sie macht es ohne – ohne Gummihandschuhe greift sie in die verstopfte Muschel.

Schwab knüpfte sprachmächtig ein auswegloses Netz aus Kindern, Klos und Kirche. Als „Die Präsidentinnen“ 1990 uraufgeführt wurde, war das Publikum schon mit dem Gebrauch des Worts „Scheiße“ auf den Bühnen vertraut. In diesem Falle sind Ausscheidungen in jeder Konsistenz sogar handlungstragend. Als Schauplatz schwebte Schwab eine „groteske“ Einzimmerwohnung vor.

Wie ein Bauernschwank

Auf der Kleinen Bühne des Volkstheaters ist jetzt ein Viehstall zu sehen. In diesem von Ausstatter Sita naturalistisch gestalteten Raum versucht Regisseur Abdullah Kenan Karaca dem Küchenrealismus des Stücks entgehen. Das „Fäkaldrama“ aus dem Wiener Prekariat verwandelt sich dabei in einen wunderlich bizarren Bauernschwank.

Dazu trägt auch die Travestie bei: Die Putzfrau-Kolonne wird von Männern gespielt. Das machen sie in den Fat-Suits, die die weiblichen Rundungen markieren, so gut, dass sie als Entdeckungen unter den Damen des Volkstheater-Ensembles gefeiert werden können. Paul Behren gibt der streng-bigotten Erna, wenn sie wieder eine neue Gemeinheit ausgeheckt hat oder vom gemeinsamen Leben mit dem Metzger Karl Wottila (der so ähnlich heißt wie der Papst) etwas überraschend Spitzbübisches.

Auch Grete wirkt bei Max Wagner fast burschikos, wenn sie sich in einen feuchten Traum mit dem Tubabläser Freddy hineinsteigert. Sehr impulsiv ist das Mariedl bei Moritz Kienemann. Das immer ein wenig verstörte Mädel fantasiert von einem Triumphzug auf einem Volksfest voller verstopfter Kloschüsseln mit finaler Marien-Erscheinung und viel Goldstaub. Was Karacas Inszenierung fehlt, ist die Traurigkeit der Figuren. Zumindest aber ist der Text, der nach einem Vierteljahrhundert ohnehin nicht mehr zur Provokation taugt, eine energiegeladener, kurzweiliger und böser Spaß.

Münchner Volkstheater, 28. Oktober, 4., 6., 12., 22., 25. November, 20 Uhr, Telefon 5234655

 

 

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