Buchpreis: Das Rennen ist eröffnet
Die Jury für den Deutschen Buchpreis hat die Longlist vorgestellt: Zwanzig Autoren ringen nun um den auflagenträchtigen „besten deutschsprachigen Roman des Jahres“
Dieser Preis hat eine einmalige Erfolgsgeschichte hingelegt: Erst seit 2005 wird zum Beginn der Frankfurter Buchmesse der Deutsche Buchpreis verliehen, aber alle Sieger wurden sofort Bestseller, auch wenn die Namen der Autoren zuvor teilweise allenfalls Eingeweihten des Literaturbetriebs bekannt waren. Wer aber folgt nun auf Arno Geiger (Sieger 2005 mit „Es geht uns gut“), Katharina Hacker („Die Habenichtse“, 2006), Julia Franck („Die Mittagsfrau“, 2007), Uwe Tellkamp („Der Turm, 2008“) und Kathrin Schmidt („Du stirbst nicht“, 2009)?
Gestern legte die siebenköpfige Jury die sogenannte Longlist vor, zwanzig aus fast 150 eingereichten Titeln, angeblich die besten deutschsprachigen Romane des Jahres. Leser und Buchhandel reagieren euphorisch auf den Preis, es gibt aber auch etliche Kritiker. So sprach Elke Heidenreich von einem „unwürdigen Wettrennen“ und Daniel Kehlmann nannte den Buchpreis gar „eine Quelle der Sorge und der Depression“ für Schriftsteller. Alle nun nicht nominierten Autoren können die Saison und ihr oftmals mehrjähriges Ringen mit einem Roman nun quasi abhaken, es sei denn, sie erobern ihr Publikum auch ohne das Votum der Kritiker, wie einerseits Unterhaltungskünstler Thommy Jaud („Hummeldumm“) oder der Meister des Abgrundes, der Berliner Anwalt Ferdinand von Schirach („Schuld“).
Dass es Letzterer nicht auf die Longlist geschafft hat, liegt nicht an der Jury, es sind für den Buchpreis nur Romane, aber keine Erzählungen zugelassen.
Doch auch für die 20 aufgeführten Autoren gibt es noch keinen Grund zur Vorfreude: vierzehn von ihnen geraten spätestens am 8. September schnell in Vergessenheit, dann nämlich legt die Jury die sechs Titel umfassende Shortlist vor. Und der Handel weiß aus Erfahrung, dass die Leser sich auch nur zögerlich aus der Liste der Finalisten bedienen, sie warten lieber bis zur endgültigen Kür.
Der Jurykonsens hat eigene Gesetze
Der Sieger erntet die ganze Aufmerksamkeit und fünf weitere Schriftsteller lernen das Gefühl kennen, wie einsam und ungefragt man auf den langen Buchmessentagen sein kann, wenn man es nur fast geschafft hat.
Dass es sich bei der nun vorgelegten Liste tatsächlich um die „20 besten deutschsprachigen Romane“ dieses Jahres handelt, ist ohnehin ausgemachter Unfug. Es ist eher ein Wiedersehen mit alten Bekannten: Martin Mosebach aber hat weitaus bessere Bücher verfasst als seinen aktuellen Titel und Thomas Hettches „Die Liebe der Väter“ ist wohl eher aus thematischen, denn literarischen Gründen nominiert.
Wer aber wird es? Den Frühjahrstiteln wie dem ungemein unterhaltenden „Das war ich nicht“ von Kristof Magnusson werden traditionell schlechtere Chancen eingeräumt. Und jeder Jurykonsens hat seine eigenen Gesetze: Schon letztes Jahr ließ sich die damalige Jury nicht von Stockholm irritieren und gab nicht der frisch ernannten Nobelpreisträgerin Herta Müller, sondern überraschend Kathrin Schmidt den Preis.
Das könnte ein Handicap für Peter Wawerzinek sein, der ja in Klagenfurt beim Bachmann-Wettbewerb Jury und Publikum einhellig überzeugte. Man hängt sich als unabhängige Jury nicht gerne an die Entscheidungen der anderen.
Volker Isfort