Wunderbare Welterkundungen

Die Internationale Jugendbibliothek zeigt prächtige Sachbücher aus fünf Jahrhunderten. Eine kostbare neue Schenkung ermöglicht die Ausstellung.
Philipp Seidel
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Aus Joëlle Jolivets Buch "Zoologie" (Thienemann-Esslinger Verlag, 2019) stammt dieser prächtige Pfau.
Aus Joëlle Jolivets Buch "Zoologie" (Thienemann-Esslinger Verlag, 2019) stammt dieser prächtige Pfau. © Internationale Jugendbibliothek

München - Da kann selbst der größte Zoo einpacken: Was sich derzeit an bunten Lebewesen in der Internationalen Jugendbibliothek auf Papier tummelt, ist in seiner Pracht außerhalb der Mauern von Schloss Blutenburg nicht denkbar. Hier kommen Hummer und Kamel in einem Raum zusammen, Vögel mit Gefieder in allen Farben, die ein Tuschekasten hergibt, zudem exotische Pflanzen und Menschen aus einigen Gewerken und aus allerlei Kulturkreisen dieser Erde. Kurz: Hier wird die ganze Welt gezeigt - oder das, was man in den vergangenen Jahrhunderten für das Weltwissen hielt, das man an die junge Generation weitergeben wollte.

Kinder- und Jugendbücher aus fünf Jahrhunderten

"Ich weiß etwas, was du nicht weißt! Weltwissen in Kinder- und Jugendsachbüchern aus fünf Jahrhunderten" heißt die Jahresausstellung der Internationalen Jugendbibliothek in Schloss Blutenburg. Sie schöpft aus der kostbaren Sammlung des Unternehmers Werner Ziesel, der der Jugendbibliothek mehr als 1300 historische Bücher aus deutschen Verlagen geschenkt hat, von denen es viele nur einmal auf der Welt gibt.

Er hat im Internet nach alten Büchern gesucht - mit sehr exklusivem Anspruch: "Wenn etwas vier- oder fünfmal da war, habe ich es gar nicht gekauft", sagte der quirlige Sammler bei der Ausstellungseröffnung.

Die Ausstellung, die die "nahezu fantastische Schenkung" ermögliche, lade nun ein zu "Welterkundungen anhand von Fakten und Objekten", sagte Jugendbibliothek-Direktorin Dr. Christiane Raabe.

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"Ich weiß etwas, was du nicht weißt!" zeigt gerade einmal rund 50 der mehr als 1300 Bücher aus der Sammlung Ziesel. Das älteste Buch in der Ausstellung stammt von Johann Titius aus dem Jahr 1671: "Welt- Oder Erd=und Wasser=Kugel, Sampt denen Land=Charten, Auff Das deutlichste vorgestellt In des Heiligen Reichs=Stadt Nordthausen".

Wie überhaupt die Bücher bisweilen drollig-hinreißende Titel tragen. Von Carl Friedrich Lang und dem Illustrator Johann Carl Bock kommt das Buch aus dem Jahr 1814: "Geschichtliche Denkwürdigkeiten und Seltenheiten der Natur, durch Kupferblätter anschaulich gemacht, und für alle Städe zum Nutzen und Vergnügen faßlich beschrieben".

Wissen kindgerecht zu vermitteln, ist in der Aufklärung wichtig geworden

Den alten Büchern - deren Farben auch nach Jahrhunderten noch kräftig von den Blättern leuchten - werden moderne, aufwendig produzierte und nicht weniger prächtige Sachbücher gegenübergestellt. Eine Erkenntnis beim Betrachten von Alt und Neu: Stilistisch ähneln sich beide oft verblüffend.

Einige auf bestem Papier gedruckte Wissensbücher haben fast Plakatformat. Als charmantes Gegenteil findet sich in der Sammlung Ziesel ein Schuber mit 15 hinreißenden, winzigen Büchlein über die Natur, die vermutlich perfekt ins Reisegepäck gepasst haben: Carl Friedrich Langs "Raritäten-Bureau für gute Knaben und Mädchen, worinnen sie den reichhaltigsten Stoff zu angenehmer Zeitverkürzung und Belehrung finden" aus dem Jahr 1809.

Diese aufrechten Fische finden sich in Friedrich Philipp Wilmsens "Kupfer-Sammlung besonders zu F. P. Wilmsens Handbuch der Naturgeschichte für die Jugend und ihre Lehrer" aus dem Jahr 1821.
Diese aufrechten Fische finden sich in Friedrich Philipp Wilmsens "Kupfer-Sammlung besonders zu F. P. Wilmsens Handbuch der Naturgeschichte für die Jugend und ihre Lehrer" aus dem Jahr 1821. © Internationale Jugendbibliothek

In der Aufklärung sei die Idee wichtig geworden, Wissen kindgerecht zu vermitteln, sagt Kuratorin Jutta Reusch. Da ging es vor allem um die Anschaulichkeit. Die Fakten wurden häufig dargereicht als Gespräch zwischen Vater und Kindern, als Gedicht oder in Form einer Reiseerzählung.

Und was hatten - und haben - die Kinder in den prächtigen Büchern nicht alles anzuschauen! Die Darstellungen erinnern immer wieder aufs schönste an die Wimmelbücher (denen die Jugendbibliothek gerade erst eine eigene, ebenfalls tolle Ausstellung gewidmet hatte), wie Gertrud Casparis Landpartie von 1909.

Viele Bücher haben Tafeln zum Ausklappen, beispielsweise das Berliner Kinder-Wochenblatt von 1835, das den Halleyschen Kometen zeigt.

Nicht nur Bücher werden gezeigt

Und weil die Schau zudem von der Idee der Wunderkammer als Ort des Staunens und Wissens getragen ist, gibt es neben den Büchern auch zahlreiche Exponate, viele aus der Zoologischen Staatssammlung, zu sehen, die die Augen beschäftigen: Kolibris, einen Hummer, Schmetterlinge, eine (kleine) Schlange, eine Schildkröte.

Gleich am Eingang stimmt ein wandfüllender Setzkasten ein auf das, was dahinter kommt: Mikroskop, Mini-Globus, ein Menschenschädel, eine Apothekerflfasche mit der Aufschrift "Aqua foeniculi" (das ist einfach nur Fenchelwasser, klingt aber natürlich gleich viel interessanter), ein Schneckengehäuse, ein Zahnrad, Glühbirne - eine Mischung aus Deutschem Museum und Naturkundemuseum.

So ist die Schatzkammer in der Jugendbibliothek in den kommenden Monaten ein Ort des Schauens und des Staunens über die Vielfalt der Natur und die Kunst des Druckens.


Bis 15. April 2023, Internationale Jugendbibliothek, Schloss Blutenburg, München (Mo-Do 10-16 Uhr, Fr 10-14 Uhr, So/So 14-17 Uhr), www.ijb.de - bis Sonntag ist in der Blutenburg ein Weinfest, wer es ruhiger mag, sollte die Ausstellung ab Montag besuchen

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