Interview

Schreibender Schlagzeuger Weber im Interview: Blumige Wahrheiten

Florian Weber, der Schlagzeuger der Rockband Sportfreunde Stiller, spricht über die Inspiration für seinen dritten Roman.
von  Florian Koch
Der Musiker und Schriftsteller Florian Weber auf einer Landpartie.
Der Musiker und Schriftsteller Florian Weber auf einer Landpartie. © Mirco Talierico

München - Es gibt viele Musiker, die schauspielern. Aber wenige, die auch als Autor erfolgreich sind. Florian Weber, Schlagzeuger bei den Sportfreunden, legt mit "Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken" bereits seinen dritten Roman vor. 

Während der Einstieg mit einem im Atlantischen Ozean schwimmenden Lama, einem Clown und dem Protagonisten Heinrich Pohl noch absurd Beckettsche Züge aufweist, wandelt sich das fabulierfreudige Buch bald in einen anrührenden Roadtrip quer durch die USA.

So fand Webers dritter Roman seinen merkwürdig anmutenden Titel 

AZ: Herr Weber, der Titel Ihres Romans klingt verschroben. Wie kamen Sie denn darauf?
FLORIAN WEBER: Erst sollte das Buch "Die Geschichte eines Ertrinkenden" heißen, was ich aber ziemlich lahm fand. Der "Rüde", unser Bassist bei den Sportfreunden, hat mich dann auf den jetzigen Titel gebracht. Im Spaß habe ihn bei einem Konzert mal aufgefordert, dass er endlich richtig abgeht. Dann bekam er so ein Ziehen im Rücken und meinte nur zu mir: "Das ist die Ästhetik der Schonhaltung". Und diese witzige Bemerkung fand ich eine treffende Haltung meines Protagonisten dem Leben gegenüber.

Sie haben einmal gesagt, dass als Schüler das Lesen nicht gerade Ihr Steckenpferd war.
Früher hatte ich tatsächlich enorme Schwierigkeiten, mich auf Bücher einzulassen. Da war ich vielleicht noch zu unruhig, zu viel in Richtung ADHS unterwegs. Meine Schwester war es, die mich dann in Studienzeiten zum Lesen verführt hat. Sie ist auch die erste, der ich meine Werke vorstelle. Und sie hat mich nach meinem ersten Buch dazu animiert weiterzuschreiben.

Das Abschiednehmen spielt in Ihrem Roman eine wichtige Rolle. Gab es hierfür einen konkreten Anlass?
Aktuell nicht. Aber ich musste bereits in jungen Jahren, mit dem Tod meiner Mutter, einen harten Verlust hinnehmen. Der irritiert mich heute zwar nicht mehr, begleitet mich aber stets, gerade wenn ich auf mein Leben zurückblicke.

"Mein Vater war auch spitze, aber der musste halt viel arbeiten"

Ist dieser Onkel Wendelin, den Sie in so warmen Worten beschreiben, eine Sehnsuchtsfigur von Ihnen?
Ich selber hatte nie so einen Onkel, wobei die, die ich hatte, schon okay waren. Eine solche Warmherzigkeit habe ich dann für meine Oma empfunden, bei der ich groß geworden bin. Mein Vater war auch spitze, aber der musste halt viel arbeiten. Noch mehr inspiriert hat mich zu dieser Figur aber die Vorstellung, so ein Umfeld zu haben wie in dem beschriebenen Antiquariat. Diese Geschäfte, mit all ihren besonderen Gegenständen, haben für mich immer etwas Mystisches.

Ist in der Schilderung des Antiquariats nicht auch eine Wehmut enthalten? Immerhin sterben solche wie im Roman beschriebenen Geschäfte auch in München immer mehr aus.
Das stimmt. Aber betroffen sind hier auch Clubs, Plattenläden oder Wirtshäuser. Sprich Orte, die die Atmosphäre der Stadt bestimmen. Da spielt wieder das schlimme Thema Gentrifizierung mit rein. Glücklicherweise gibt's in München dann auch so Typen wie Till Hofmann oder Bellevue di Monaco, die dafür sorgen, dass Häuser, die verschwinden sollen, doch aufrechterhalten werden und dies mit besten Sozialideen. Ich baue da auch auf den Oberbürgermeister, der dafür sorgt, dass nicht alles den Immobilienhaien anheimfällt.

"Es macht vieles spaßiger, wenn nicht alles an der Wahrheit klebt"

Wie stellt man sich denn bei Ihnen als gelernter Musiker den Schreibprozess vor?
Bei mir ploppt erst einmal eine Idee auf, dann fange ich an zu schreiben. Einen bestimmten Schreibplan besitze ich nicht, was die Sache nicht unbedingt einfacher macht. Aber so kann ich auf spontane Einfälle und Ideen auch sofort reagieren. Und das reizt mich daran.

Ein zentrales Motiv in Ihrem Roman ist das Füllen von Gedächtnislücken mit frei erfundenen Geschichten. Was fasziniert Sie daran?
Ich selbst bin zwar keiner, der leidenschaftlich Unwahrheiten verbreitet, aber doch einer, der erlebte Geschichten mit ein paar Blumen ausschmückt. Es macht im Leben vieles spaßiger, wenn nicht alles an der Wahrheit klebt. Vielleicht liegt es aber auch in der Natur des Menschen, dass er ein Erlebnis mit der Zeit noch etwas mehr ausschmückt. Da habe ich kein Problem damit.

Das Buch ist auch eine Reise durch die Vereinigten Staaten. Wie viel ist hier wirklich erlebt und was Fiktion?
Ich habe einen guten Freund in Salt Lake City, wo ja auch Teile des Romans spielen. Den habe ich zweimal besucht. Mittlerweile ist er Professor an einer Sportuniversität. Und mit ihm reiste ich auch zum Arches-Nationalpark. Der Ort, an dem die beiden Hauptfiguren im Buch die Friedenspfeife rauchen. Dieses Gebiet haben wir sowohl erlaufen, als auch mit Quads durchfahren. Das waren wunderbare Momente, aber ab diesem Moment musste ich mich für meinen Roman mit Google Earth weiterbewegen.

Konzerte nach Corona-Pause: "Ich habe da keine großen Erwartungen"

Sie schreiben: "Keiner unserer Helden ist straffrei. Nicht einmal Franz Beckenbauer." Ist das ein selbstironischer Hinweis auf den Autor selber? Sie sind ja bekennender Fan von 1860 München.
Geplant war das nicht. In meinem ersten Buch hat ja schon Uli Hoeneß einen auf den Sack bekommen. Ich habe mir hier auch überlegt, ob unbedingt der Franz sein Fett abkriegen muss, er ist ja schon einer von den Guten. Aber in den letzten Jahren ist sein Status dann doch etwas gebröckelt.

Sie erklären auch die wahre Entstehung von Elton Johns "Candle in the Wind".
Dass Pete Townshend, den ich von Kindesbeinen an schätze, und Elton John mal an der Bar saßen und im Hintergrund irgendeiner mit der Gitarre gezupft hat, bis der Song auch stand, könnte so gewesen sein. Dafür würde ich meine Hand aber nicht ins Feuer legen.

Bald erscheint ein neues Album der Sportfreunde, und es geht auf Tour. Beißt sich das nicht mit einer geplanten Lesereise für den Roman?
Es ist in der Tat viel los, aber ich habe jetzt auch fünf Jahre lang wirklich wenig an offiziellen Terminen wahrgenommen. Zudem kam auch noch diese pandemische Unzeit. Da kann man schon mal Ranklotzen für Herzblut-Dinge wie das Buch oder auch das neue Album.

Vorfreude oder Nervosität - wie ist Ihre Gefühlslage hinsichtlich der geplanten Auftritte, die Pandemie-bedingt bisher unmöglich waren?
Die Lust ist auf jeden Fall da, aber ich merke, dass die Leute hinsichtlich der Corona-Entwicklung noch gewisse Zweifel haben. Bei den Konzerten bin ich gespannt, wie sie von den Menschen aufgenommen werden. Ich habe da im Vorfeld aber keine großen Erwartungen. Man könnte ja durchaus annehmen, dass nach der schweren Corona-Zeit jeder Fan explodiert, aber ich habe auch großes Verständnis dafür, wenn man erst einmal abwartet, was da auf der Bühne wieder kredenzt wird. Aber egal ob Buch oder Musik - gekocht wird mit absoluter Liebe.


Florian Weber: "Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken" (Heyne Hardcore, 320 Seiten, 22 Euro). Lesung im Volkstheater: 9. April, 20 Uhr, Eintritt: 20 Euro

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.