Gastbeitrag

Mit Porsche und zwei Löffeln: Freunde gratulieren Janosch zum 90.

Am 11. März wird Janosch 90 Jahre alt. Zwei Freunde gratulieren, erzählen aus Münchner Zeiten - und wer und wie dieser Mann eigentlich ist.
von  Gastbeitrag von Meisi und Helmut Grill
Der Galerist und sein Zeichner: Helmut Grill mit Janosch vor dem Etcetera.
Der Galerist und sein Zeichner: Helmut Grill mit Janosch vor dem Etcetera. © privat

München - Wie wir Janosch genau kennengelernt haben, weiß ich gar nicht mehr genau. Er malt ja - wie Chagall - oft schwebende Menschen. Und so war es auch mit ihm: Auf einmal ist er in unseren Etcetera-Laden in der Wurzerstraße reingeschwebt. Auf einmal war er also da - und ab da für immer, jedenfalls solange es unseren Laden zwischen Nationaltheater und dem Vier Jahreszeiten gab.

Anfangs hat er so ein merkwürdiges Spiel getrieben: lässig hereinkommen, aber fein angezogen, wenn auch verstrubbelt. Dann schmunzelnd eine Geschichte erzählen - meist über Frauen. Am nächsten Tag wieder, aber mit einer winzigen Veränderung. Das war der Test! Und als wir diese Grille kapiert hatten und diese Variationen ein paar Mal ansprachen, hatten wir die "Prüfung" bestanden.

"Um Janosch zu verstehen, muss man ihn auf seiner Insel besuchen"

Seitdem sind wir Freunde und haben ihn, der dann liebenswürdig anhänglich war, auf viele Einladungen einfach mitgenommen. Und die meisten Gastgeber waren glücklich, so einen berühmten Mann im Hause zu haben.

Frauen sind freche Engel: Ein Bild von Janosch, gemalt für Meisi Grill.
Frauen sind freche Engel: Ein Bild von Janosch, gemalt für Meisi Grill. © Das Bild stammt aus dem Buch "München lächelt - Meisi & Helmut Grill - 50 Jahre Komische Kunst & Humor etcetera"

Ich habe Janosch dabei nie lustig im gewöhnlichen Sinne erlebt. Das würde nicht zu seiner Persönlichkeit passen: nicht aus Überheblichkeit, sondern einfach aus Fremdheit unter Menschen.

Gewohnt hat er in München eigentlich sehr einfach, in einer greislichen Wohnung beim Leonrodplatz, völlig anonym, wo wir auch einige Abende verbracht haben. Aber um Janosch zu verstehen, muss man ihn auf seiner Insel besuchen.

Meisi Grill ausnahmsweise nicht quirlig im Vordergrund.
Meisi Grill ausnahmsweise nicht quirlig im Vordergrund. © privat

Er sollte uns die Illustrationen zu einem Buch von Herbert Rosendorfer über das "Alpenländische Wirtshaus" zeichnen: und das als Mann aus Schlesien, der - nach Schlosserlehre und Münchner Jahren - jetzt auf Teneriffa lebte!

Uns schrieb er klare Anweisungen: "Ihr könnt dann ab März kommen. Hotel im Süden nehmen (ich wohne im Süden)…" Es folgten eine Liste mit Materialien für einen Kupferdruck und der Schlussgruß: "Dein Mäzen und vorerst noch Diener, Herr J."

Janosch brauchte "ein finanzielles Sicherheitsgefühl"

Was er damit sagen wollte? "Mit mir als Autor wird man reich, aber Achtung!" Denn Janosch ist ein wahnsinnig misstrauischer Mensch und hatte bereits zig Verleger verschlissen. Wir aber sind als Galeristen gut mit ihm ausgekommen. Sein Spruch war. "Ich habe 100 Porsche!" Das meinte er übertragen und gar nicht angeberisch, sondern vom Wert her. Er brauchte ein finanzielles Sicherheitsgefühl, das durch die Erinnerung an seine karge, harte schlesische Jugend immer gefährdet war.

Janosch ist diese merkwürdige Kombination aus einem, der sich nichts aus Geld macht und gleichzeitig immer Angst hat, ohne dazustehen. Er hat mich ein einziges Mal eingeladen - auf einen Leberkäs in Regensburg.

Wir kamen also ohne Adresse, aber mit allem Geforderten auf Teneriffa an und fanden vor unserer gemieteten Unterkunft einen Zettel unter einen Stein geklemmt: "Komme morgen um 10, Herr Janosch."

Janosch: Wassertrinker und halber Vegetarier

Zu besagter Zeit stand dann ein weißer R4-Kastenwagen da mit offenen Hecktürflügeln, und drinnen Janosch und seine hanseatische Freundin auf gelben Kissen und marokkanischen Teppichen, beide bereits frühstückend. Besprechen wollte er nichts, vielmehr ging's weiter zu seiner Lieblingskneipe zum Langustenessen am Sandstrand.

Janosch - Wassertrinker und halber Vegetarier - kommt nur noch notfalls nach Deutschland, aber er erzählt durchaus von seiner Zeit, als er in München von der Kunstakademie verwiesen wurde, noch soff und nur arbeiten konnte, wenn er "voll" war.

Das ist lange vorbei. Jetzt kann Janosch nur arbeiten, wenn er völlig allein ist und im Gleichgewicht in seinem kleinen spartanischen Würfelhaus, mit zwei "Oh wie schön ist Panama"-Palmen davor, alles umstellt mit weggeworfenen und angeschwemmten Zivilisations-Behältern, Büchsen, Bechern, in die er "Unkraut" aus der wilden Gegend pflanzt.

Janosch über seinen persönlichen "Bauchladen"

Als wir bei ihm waren, hat er beim Fischer für uns ein paar Makrelen gekauft, sie in die einzige Pfanne hinein und mit einem der beiden einzigen Löffel immer wieder in die Pfanne gedrückt. Salzkartoffeln gab's auch. Und dann haben wir - mit seiner Freundin zu viert - von zwei Tellern mit zwei Gabeln gegessen. Und wenn man seine Zeichnungen sieht, findet man viele dieser Details immer wieder.

"Mein Vater hat mir einen Bauchladen hinterlassen. Er hat aber keinen Boden und ist deshalb unerschöpflich, und ich kann alles frei aus der Luft herausholen", hat er mir erzählt. Ich finde, er zeichnet und schreibt in Gegensätzen: wunderbar konkret, aber lebensweise, dabei unangekränkelt vom Zeitgeist, aquarell-zart, naiv und oft subtil gewürzt mit Erotik. Er füllt für alle Altersgruppen ein Bedürfnis nach einfacher Glückseligkeit.

Seine Rettungsinsel verlässt er kaum noch. Und als ich ihn vor einigen Jahren noch einmal zu einer Vernissage einladen wollte, schrieb er zurück: "Ich kann nicht kommen, ich habe keinen Wintermantel." Und als ich ihm einmal ein edles Jeanshemd geschickt habe, schrieb er zurück: "Wunderbar, es kam in dem Moment, wo ich kein einziges mehr hatte."


Von Meisi und Helmut Grill ist das Buch "München lächelt - Meisi & Helmut Grill - 50 Jahre Komische Kunst & Humor etcetera" erschienen, in dem sie nicht nur ihre Geschichte erzählen, sondern auch die aller berühmten Satirezeichner.

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