Maßlose Grenzgänger: Ein Reiseführer durch das Werk Werner Herzogs

Josef Schnelle führt durch das Werk von Werner Herzog, der am Freitag als "Work in Progress" sein neuestes Filmprojekt im Filmmuseum vorstellt.
von  Margret Köhler
Opernplatten im Urwald: Klaus Kinski in Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo" von 1982.
Opernplatten im Urwald: Klaus Kinski in Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo" von 1982. © imago images/Everett Collection

Er gehört zu den wichtigsten deutschen Filmemachern, nicht nur des "Neuen Deutschen Films" in den 1970er Jahren, dem er sich aber nie so richtig zugehörig fühlte, sondern bis heute. Werner Herzog ist ein Phänomen mit seinen weit über 60 Werken, erhält leider im Ausland mehr Aufmerksamkeit als in Deutschland. Da trifft das Sprichwort zu "Der Prophet gilt nichts im eigenen Land".

Josef Schnelle hat einen "Reiseführer" erstellt, der durch sein künstlerisches Schaffen führt, ausgehend von seiner Ehrung für das Lebenswerk 2019 beim Europäischen Filmpreis in Berlin und einem langen Interview. Der in München geborene Herzog will keine Festivalfigur sein und auf die Frage, ob er noch mal ein junger Filmemacher sein möchte, antwortete er "Ich schaue nie zurück, mein Blick ist immer nach vorne gerichtet".

Werner Herzog: "Eher bayerisch wie Fassbinder auch"

Obgleich Herzog größtenteils in USA lebt, vergisst er seine Wurzeln nicht. Vor wenigen Jahren sagte er der AZ: "Wo oder in welcher Sprache man dreht, halte ich nicht für so wichtig. Ob in Patagonien oder in der Sahara - meine Kultur habe ich nie verlassen". Er fühlt sich "eher bayerisch wie Fassbinder auch" und vermisst die "frischen Brezn" in München, wo er mit 21 seine eigene Produktionsfirma gründete.

Opernplatten im Urwald: Klaus Kinski in Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo" von 1982.
Opernplatten im Urwald: Klaus Kinski in Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo" von 1982. © imago images/Everett Collection

Der Band startet mit seinem Debütfilm "Lebenszeichen" von 1968, widmet sich ausführlich seiner legendären Zusammenarbeit mit Klaus Kinski von in "Aguirre, der Zorn Gottes" bis hin zu "Cobra Verde". Filmgeschichte und die Geschichte einer ambivalenten Männerfreundschaft sowie die Fallen der Hybris schrieb er 1982 mit "Fitzcarraldo" und dem Transport eines 40 Meter langen und 160 Tonnen schweren Schiffes über den Berg hin zu den Stromschnellen auf der anderen Seite.

Maßlose Helden und Grenzgänger

Es sind maßlose Helden und Grenzgänger, die seine Welt bewegen, ob in den Mangrovenwäldern des Amazonas oder in der weißen Salzwüste Boliviens in "Salt and Fire" (2015). Das verständlich geschriebene Buch erzählt von einem Meister, für den Kino Trance und Traum bedeutet, der auch im dokumentarischen Bereich stark ist, "Im Todestrakt" mit zum Tode verurteilten Mördern sprach oder in "Gorbatschow - Eine Begegnung" mit dem einstigen Staatschef der UdSSR.

Die Welt ist nicht genug für ihn

Er schafft es auf unnachahmliche Weise, Menschen zum Reden zu bringen. Filmkunst heißt für Herzog ein Gesamtkunstwerk. Und wenn man liest, wie er in seinen Anfängen auch mal einen Schuh vor der Kamera verspeiste ("Schuh-Essen", 1980) oder 1974 in 22 Tagen zu Fuß von München nach Paris zur kranken Lotte Eisner wanderte, ahnt man seinen Hang zur Selbstinszenierung. Eine Welt ist nicht genug für ihn.

Der Leser lernt nicht nur den provozierenden "Illusionisten" kennen, sondern wird entführt auf eine Reise durch ein spannendes und sehr persönlich erzähltes Universum, im Anhang eine ausführliche und kommentierte Filmographie. Allein schon das Durchblättern und die vielen Fotos machen Lust auf mehr.

Für mehr ergibt sich Gelegenheit von Freitag bis Sonntag im Filmmuseum. Zwar fällt wegen Corona die Verleihung des seit 2016 vergebenen Werner Herzog Filmpreises aus, aber jeweils um 19 Uhr werden Filme wie "Ballade vom kleinen Soldaten" (Samstag) und "Mein liebster Feind" (Sonntag) gezeigt.

Außerdem stellt Werner Herzog als "Work in Progress" am Freitag sein neuestes Filmprojekt vor, an den anderen beiden Abenden liest er aus dem 2021 veröffentlichten Buch "Das Dämmern der Welt" und aus seiner demnächst erscheinenden Autobiografie "Jeder für sich und Gott gegen alle".


Josef Schnelle: "Eine Welt ist nicht genug. Ein Reiseführer in das Werk von Werner Herzog." Schüren, 176 S., 19,80 Euro.
Werner Herzog im Filmmuseum, Jakobsplatz 1, 15. bis 17. 10., muenchner-stadtmuseum.de/film

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