Mariana Lekys "Kummer aller Art": Wir haben alle Macken

Ob Flugangst, die Liebe zu Morten Harket oder die Furcht davor, dem Nachbarn zu sagen, dass er zu laut ist. Kummer gibt es viel. Und es muss auch gar nicht der ganz große sein, um einem das Leben ein wenig zu vermiesen. "Ich weiß nicht, wie angesichts der Welt ein Puls die Contenance bewahren soll", sagt Frau Schwerter, die sich nicht entspannen kann.
"Kummer aller Art": Kleines Büchlein voller Weisheiten, Schmerzheiten und Heiterkeiten
Sie befindet sich in Mariana Lekys "Kummer aller Art" in ihrer Entspannungswoche, ihre Therapeutin hat ihr dazu geraten ob ihres schnellen Herzschlags. Eine Woche lang muss ihr Mann sich den ganzen Tag draußen herumtreiben, "bis seine Frau mit ihrer Entspannung fertig ist". Sie versucht es mit allen Mitteln: Schmusen mit dem Haustier; Phantasiereisen; Meditation; "was mit Erde machen". Als Mittel der Wahl stellt sich schließlich heraus: im Hausflur krakeelen und über Entspannungstipps herziehen.
Aron Lehmanns Verfilmung von Lekys Beststeller "Was man von hier aus sehen kann" läuft gerade in den Kinos. "Kummer aller Art" ist ein kleines Büchlein voller Weisheiten, Schmerzheiten und Heiterkeiten. In 39 Miniaturen, die man auch Kapitel nennen könnte, erzählt die Ich-Erzählerin vom Kummer der Menschen um sie herum. Und ihrem eigenem. Oft sind es die kleinen Dinge des Alltags, die an der Seele nagen und einem den Schlaf rauben. Dieser Kummer ist so alltäglich und vielfältig, dass allein sein Vorhandensein und sein Ausgesprochensein schon tröstlich wirkt.
Eine Bestandsaufnahme menschlichen Daseins
Ursprünglich sind die hier versammelten Texte in einer Kolumne der Zeitschrift "Psychologie Heute" erschienen. Doch keine Angst: das sind keine psychologischen Abhandlungen, keine Ansammlungen von Traurigkeiten. Es ist vielmehr eine kleine Bestandsaufnahme menschlichen Daseins, festgemacht an all den kleinen Hindernissen, die da überwunden werden wollen in so einem Leben. Und auch ein augenzwinkernder Blick auf die Welt der Psychologie, die auch mal der Mitmenschlichkeit im Wege steht, wenn alle nur noch auf sich selbst achten und weniger auf einander.
Wenn das Wort lakonisch für etwas gut ist, dann, um die Bücher von Mariana Leky zu beschreiben. Ihre Erzählungen beginnen mit Sätzen wie "Als ich ein Kind war, sind wir oft mit dem Auto in den Urlaub gefahren" oder "Mein Freund Max war noch nie bei einem Abiturtreffen". Sie ziehen einen sofort rein in diese Zustände, die alle kennen. Die Figuren von Mariana Leky heißen – auch in ihren Romanen – oft "Frau Wiese" oder "Herr Pohl". Es sind all die, die immer um uns herum sind, aber meist keiner näheren Betrachtung unterzogen werden: die Nachbarin, der Postbote, der pubertierende Junge im Zug. Mariana Leky aber interessiert sich für sie. Und erzählt, was sie sieht und hört.
Mariana Leky macht ihre Beobachtungen an Alltagsbegebenheiten fest
Mit klaren Worten bringt sie die Gefühlslagen ihrer Figuren auf den Punkt, durchschaut ihre Pappenheimer, ohne sie je bloßzustellen. Denn die Ich-Erzählerin als Sproß einer Psychologen- und Psychoanalytiker-Dynastie weiß besser als jede andere, dass wir alle unsere kleineren oder auch größeren Macken haben. Sie macht ihre Beobachtungen an Alltagsbegebenheiten fest, die allen vertraut sind. "Eine Überraschung muss immer in einem kleinen Kreis stattfinden, in dem man sich auch ungeduscht wohl fühlt", so das Fazit zur Überraschungsparty.
Für Sätze wie diesen möchte man die Autorin umarmen. Natürlich: Nicht jeder Kummer lässt sich in Luft auflösen, aber wenn es jemanden gibt, der zuhört, ist er zumindest ein wenig gelindert. Es könnte ein trauriges Buch sein. Aber es ist von Mariana Leky. Und darum ist es einfach: ein ganz besonders schönes Buch. (Auch als Hörbuch übrigens, gelesen von Katharina Quast.)
Mariana Leky: "Kummer aller Art" (176 S., Dumont, 22 Euro)