Interview

Kochen mit Luise Kinseher: "Ausprobieren lohnt sich immer"

Luise Kinseher hat ein Kochbuch geschrieben. Es erzählt vor allem die Geschichten hinter den Rezepten. Im AZ-Interview spricht die Kabarettistin über Kochen und Esskultur.
Ruth Frömmer
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Luise Kinseher im chinesisch-japanischen Lokal Sam im Westend - eines der Lokale aus ihrem Buch.
Luise Kinseher im chinesisch-japanischen Lokal Sam im Westend - eines der Lokale aus ihrem Buch. © Bernd Wackerbauer

München - AZ-Interview mit Luise Kinseher: Die Kabarettistin und Schauspielerin ist den Münchnern als jahrelange Derbleckerin Bavaria vom Nockherberg bekannt.

AZ: In einer Ihrer Nummern haben Sie einmal gesagt "Ich bin nicht nur intelligent, ich kann auch noch kochen" - stimmt das wirklich?
LUISE KINSEHER: Intelligent ist natürlich immer relativ und das mit dem Kochen auch. Aber bis jetzt war jeder zufrieden, wenn er bei mir war und was zu essen bekommen hat.

Intelligenz oder Kochen - worauf könnten Sie eher verzichten?
Neulich habe ich gelesen, dass Dummheit gar nicht abhängig ist von der Intelligenz. Es gibt sehr intelligente Menschen, die sehr dumm sein können. Dummheit definiert sich eher darüber, ob man bereit und in der Lage ist, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Die Empathie fehlt manchmal auch sehr intelligenten Menschen. Auf diese Fähigkeit möchte ich auf keinen Fall verzichten. Kochen kann ja eigentlich jeder lernen, der das möchte.

Von wem haben Sie kochen gelernt?
Von meiner Mama. Das zieht sich auch wie ein roter Faden durch das Buch. Alle, egal welche Nationalität, haben erzählt, dass sie das erste Mal mit ihrer Mama am Herd gestanden sind. Der Bezug zum Essen, das Geschmacksempfinden ist etwas, das sich in der Kindheit manifestiert. Wenn man nur mit Tütensuppen und Tiefkühl-Pizza aufwächst, hat man später wahrscheinlich nicht so ein großes Interesse daran, selbst zu kochen.

"Egal, welche Nation: Kochen haben fast alle von ihrer Mama gelernt"

Bei Ihrem vollen Terminkalender: Kochen Sie oft privat?
Regelmäßig nicht. Aber wenn man wie ich immer geistig, mit dem Kopf arbeitet, dann ist dieses handwerkliche Arbeiten totale Entspannung. Wenn ich Zeit habe, ist Kochen meine Lieblingsbeschäftigung.

Kochen Sie lieber für sich allein oder für Gäste?
Lieber für Gäste. Wenn ich für mich allein koche, dann schaut's schon ein bisserl anders aus. Da nehm' ich's dann meistens nicht so genau. (lacht)

Luise Kinseher und Toshiyuki Ogi, Restaurant-Koch im Sam.
Luise Kinseher und Toshiyuki Ogi, Restaurant-Koch im Sam. © Bernd Wackerbauer

Was ist Ihre Spezialität?
Schlutzkrapfen. Ich liebe Sachen, die man ein bisserl basteln muss. Nudelteig selber machen, zusammenfalten, einpacken. Sowas mach ich gern. Es darf schon aufwendiger sein bei mir.

Es gibt so viele Kochbücher. Warum noch eins?
Das ist ja kein reines Kochbuch. Das Besondere sind die Geschichten der Menschen. München ist bunt, hier leben so viele Nationalitäten dicht beieinander. Schicksale zu erzählen, bietet sich in Kombination mit dem Essen wunderbar an. Essen verbindet, bietet Zugang in eine andere Kultur, eine andere Lebensweise. Darum habe ich das auch nicht alleine gemacht. Zusammen mit dem Koch Karl Ederer und dem Journalisten Franz Kotteder haben wir da wahnsinnig spannende Biografien kennengelernt und aufgeschrieben. Im Buch finden sich Gastarbeiter-, Flüchtlings-, und Abenteurer-Biografien inklusive Rezepten und Gastro-Tipps. Das ist toll!

Hinter jedem Rezept steckt eine Lebensgeschichte. Mit dem Koch Karl Ederer und dem Journalisten Franz Kotteder bringt Luise Kinseher beides zusammen.
Hinter jedem Rezept steckt eine Lebensgeschichte. Mit dem Koch Karl Ederer und dem Journalisten Franz Kotteder bringt Luise Kinseher beides zusammen. © Kunstmann Verlag

Haben Sie selbst bei der Arbeit am Buch noch etwas dazugelernt?
Absolut. Zum einen über menschliche Schicksale. Aber auch koch-technisch. In der afrikanischen Küche war ich zum Beispiel gar nicht bewandert. Da habe ich Maniok entdeckt. Das schmeckt toll! Ebenfalls neu war mir, dass die Nationalität, die in München am stärksten vertreten ist, Österreich ist. Aber für das passende Lokal mussten wir am weitesten fahren, nämlich bis zum Freisinger Hof nach Oberföhring.

"Bayerische Lokale könnten ein bisserl mehr Fantasie walten lassen"

Haben Sie die Rezepte aus dem Buch selbst ausprobiert? Können Sie eines besonders empfehlen?
Wir haben viel getestet und alles war wunderbar. Es sind aber auch nur Lokale mit besonders gutem Essen im Buch. Die Rezepte sind alle relativ einfach nachzukochen. Die afghanischen Gerichte mag ich zum Beispiel besonders. Im Buch ist ein Rezept für Hefeteig-Taschen mit Kartoffeln, die schmecken toll. Wir haben festgestellt: Eingepacktes Essen oder Teigtaschen gibt's in jeder Nation, ob in Thailand oder Südtirol. Und überall schmeckt's ein bisserl anders.

Kochen Sie selbst oft aus Kochbüchern?
Zur Inspiration braucht man das schon. Wie viele andere auch bin ich Fan von Yotam Ottolenghi. Der hat ganz neue Aspekte in unsere Küchen gebracht. Vor allem in Sachen vegetarische und vegane Küche. Ich finde es super, wenn man sich ein bisschen öffnet und auch mal versucht, mit Tofu oder Ähnlichem zu kochen. Etwas Ausprobieren lohnt sich immer!

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Unter den 19 Köchen im Buch sind nur drei Frauen. Warum?
Weil wir keine gefunden haben. Wir haben sogar händeringend gesucht. Daheim kochen immer die Frauen und in der Gastronomie fast nur Männer. Das ist einfach ein wahnsinnig zeitintensiver Knochen-Job, oft mit Nacht-Arbeit und schwer mit der Familie zu vereinbaren. Frauen haben öfter ein Café oder arbeiten als Kellnerin, damit sie sich die Zeit besser einteilen können. Aber in unserem Fall liegt es auch an den Biografien. Es gibt wenige weibliche Flüchtlinge, die sich hier in der Gastro versuchen. Bei den Gastarbeitern ist es ähnlich. Da helfen die Frauen allenfalls mit. Auch Abenteurer-Biografien sind eher männlich. Australierinnen, die Köchinnen sind, und dann irgendwo, wo es ihnen gefällt, ein Lokal eröffnen, sind selten.

"Bayerische Lokale könnten ein bisserl mehr Fantasie walten lassen"

Was wünschen Sie sich für die Münchner Gastronomie in der Zukunft?
Ich wünsche mir Buntheit und Vielfalt, Lokale, die richtig kochen, fantasievoll sind und ihren eigenen Stempel haben. Keine Systemküche. Und ich wünsche mir natürlich auch ein Publikum, das bereit ist, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen. Mich stört die Einstellung, dass Lebensmittel billig sein müssen. Für 9,90 Euro kann man kein gescheites Schnitzel bekommen.

Außerdem wünsche ich mir, dass die bayerischen Lokale noch ein bisserl mehr Fantasie walten lassen und mehr vegetarische Gerichte anbieten. Man ist ja fast gezwungen, einen Schweinsbraten zu essen, wenn man in ein bayerisches Wirtshaus geht.

Dabei gäbe es so viele Alternativen, etwa aus der Knödel- oder Kartoffelküche, die ja auch sehr alpenländisch sind. Aber das ist natürlich sehr aufwendig und die Frage ist, ob der Gast bereit ist, für ein Kartoffelgericht 16 Euro zu bezahlen.

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