Kritik

Österreich-Hass wie bei Thomas Bernhard

Der bittere Debütroman "Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes
von  Roberta De Righi
Die Wiener Juristin Irina, die sich als Autorin Toxische Pommes nennt.
Die Wiener Juristin Irina, die sich als Autorin Toxische Pommes nennt. © Muhassad Al-Ani

Die Thujen in Renates Garten waren so präzise geschnitten, dass man sich an den Kanten vermutlich einen Zahn ausschlagen konnte." Willkommen bei den Hells, Anfang der 1990er Jahre in Wiener Neustadt. Dort landet die Ich-Erzählerin des Romandebüts "Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes mit dem serbischen Vater und der montenegrinischen Mutter auf der Flucht vor dem Jugoslawien-Krieg.

"Toxische Pommes" ist kein Food-Trend, sondern Pseudonym einer jungen Wiener Juristin und Autorin, die nur ihren Vornamen Irina preisgibt. Während der Pandemie begann sie, sarkastische Video-Clips zu produzieren, und sammelte damit auf Social Media rund 175.000 Follower - eine nicht geringe potenzielle Leserschaft.

In ihrem ersten Buch beschreibt Toxische Pommes eine autobiografisch grundierte Coming-of-Age-Geschichte: Zwischen der Abreise aus Rijeka und der Einbürgerung in Österreich, mehr als acht Jahre später, liegen eine Kindheit und Jugend, deren oberste Ziele Anpassung, Anstrengungsbereitschaft und Bestleistungen sind. Wiener Neustadt, die fahle kleine Industriestadt östlich von Wien, wird zum Synonym für ein kleingeistiges, mehr oder weniger verbrämt fremdenfeindliches Land.

Da ist etwa die vorgebliche "Gönnerin" der Familie, Renate Hell. Die Teilzeit-Hauptschullehrerin scheucht vor allem die Mutter sechs Tage die Woche von morgens bis abends herum und überhäuft sie mit den absurdesten Arbeiten. Ein weiteres Mitglied der schrecklich netten Familie ist der offenbar sadistisch veranlagte Sohn, der sämtliche Haustiere massakriert.

Die Hells repräsentieren ein bigottes Spießbürgertum. So wird die auch diesseits des Inns gültige, unangenehme Wahrheit serviert, dass nicht immer altruistische Motive dazu führen, Geflüchtete aufzunehmen. Renate, die die Familie im Haus der verstorbenen Mutter aufnimmt, erwartet gegen Mietfreiheit billige, willige Bedienstete - zur Dankbarkeit verpflichtet.

Ein Hass aufs Land wie bei Thomas Bernhard

Dann ist da der Volksschullehrer Herrn Fleischhauer, der das Mädchen zwar mit Fleißstempeln und Bestnoten überhäuft, aber am Ende nur die Empfehlung für die Hauptschule abgibt: Weil das Kind ja keine Muttersprachlerin sei. Für die Eltern ist dennoch klar - beide sind Akademiker - das Kind kommt aufs Gymnasium. Zum Schulwechsel schafft es die Familie auch, Renates Fuchtel zu entfliehen.

Derweil ist die Mutter für das Mädchen kaum greifbar: Wenn sie nicht für Höllen-Renate schuftet, die im Keller qualmt wie ein Schlot, erledigt sie Nebenjobs, lernt Deutsch und schließt schließlich (zum zweiten Mal!) erfolgreich ein Pharmazie-Studium ab. Einzige Lichtgestalt und wichtigste Bezugsperson ist der Vater - den die Integrationsverhinderungsbehörde zum Hausmann macht: Weil das Kontingent an jährlich zu vergebenden Arbeitserlaubnissen erschöpft ist, kann er nur schwarz oder gar nicht arbeiten. Und aus dieser Situation kommt er niemals wieder heraus.

Sie kostet ihn stattdessen seinen Selbstwert, muss die Heranwachsende erkennen. Überhaupt, farbsatt und sinnlich betörend erscheint das Leben nur in den Sommerferien auf dem Balkan. Nur in der alten Heimat blüht der Vater auf, während er im Exil sprach- und fast so hilflos wie Gregor Samsa als Käfer bleibt. Der Teenager reagiert mit tiefer Traurigkeit, die in Wut umschlägt.

"Ein schönes Ausländerkind" ist ein lakonisch erzähltes, herbes Buch über ein Land, dessen Bewohner nur bei Thomas Bernhard noch unsympathischer sind. Aus vielen eindringlich geschilderten Einzelszenen und mitunter verlorenen Randfiguren will am Ende dennoch kein schlüssiger Roman werden.

Und obwohl die beunruhigenden Umfragen zu den Wahlen im Herbst immer wieder die stramm rechte FPÖ als stärkste Partei ergeben, mag man der gnadenlosen Autorin zaghaft entgegnen: "Aber es gibt auch ein paar sympathische Österreicher!" Nur könnte man das missverstehen.

Toxische Pommes stellt ihren Roman "Ein schönes Ausländerkind" (Zsolnay, 205 Seiten, 23 Euro) am 25. April in der Muffathalle vor (ab 19.30 Uhr)

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