Ein Bildband über Bruce Springsteen
Bruce Springsteen ist live auch mit über siebzig noch grandios, wie Münchner Fans im Sommer erleben konnten. Allerdings: In jungen Jahren brachte er naturgemäß eine andere, völlig aberwitzige Energie auf die Bühne. Das kann man auf dem vor einigen Jahren veröffentlichten "No Nukes"-Konzertfilm von 1979 sehen. Da ist es doch sehr schade, dass der Boss in den 1970ern ansonsten Filmkameras bei seinen Konzerten ablehnte. Das sieht er inzwischen genauso, damals aber dachte er: Live ist live, die Magie lässt sich nicht einfangen.
Ein toller neuer, 600 Euro teurer Taschen-Bildband von Lynn Goldsmith fängt den Zauber seiner Shows der späten Siebziger nun zumindest so weit ein, wie das in Fotografien möglich ist. Die inzwischen berühmte, vielfach preisgekrönte Fotografin begleitete Springsteen 1977 und 1978 auf Schritt und Tritt - sie war damals seine Freundin.

Sie fotografierte Bruce zuhause beim Abhängen und Songschreiben; im abgeranzten New Yorker Studio bei der Aufnahme von "Darkness On The Edge Of Town"; bei der Probe mit der E Street Band, wo die Hinterseite seines Debütalbums als Text-Hilfe auf dem Notenständer steht. Außerdem posierte er für Lynn Goldsmith ständig für mögliche Promo-Fotos, und das stets ohne Lächeln, da das seiner Meinung nach den Charakter seines kommenden Albums verfehlt hätte.
Vor drei Zuschauern
Am tollsten aber sind die Live-Fotos. Der völlig getriebene Springsteen spielte jede Nacht um sein Leben, wie er im Vorwort schreibt, und die Bilder belegen das. Die Hallen und Clubs, in denen es um alles oder nichts ging, waren oft erstaunlich klein. Bruce hatte zwar mit "Born To Run" 1975 schon ein gefeiertes Hitalbum gehabt, war innerhalb von einer Woche auf dem Cover von "Time" und "Newsweek" gewesen und als neue Rock-Sensation gefeiert worden, doch seither waren drei lange Jahre vergangen, in denen er in Rechtsstreitigkeiten mit seinem ersten Manager verwickelt war und erst mal keine Nachfolgeplatte machen konnte. 1978 unkten bereits viele Rockfans, er sei ein überschätztes One-Hit-Wonder.

An Ost- und Westküste hatte er viele Fans, die ihm die Treue hielten, doch die riesigen Weiten dazwischen hatte er noch nicht so richtig erobert. Und so sang er "Born To Run" und "Thunder Road" eben oft in sehr kleinen Veranstaltungsorten. Bei einem Konzert, so Lynn Goldsmith, spielte die siebenköpfige E Street Band "vor drei Zuschauern". Das allerdings unverdrossen mit maximaler Hingabe.
Von dem Abend sind leider keine Bilder zu sehen. Doch in den anderen kleinen Clubs oder etwas größeren Hallen sieht man Bruce auf dem Klavier stehen, auf Clarence Clemons' Schultern sitzen, kreuz und quer über die Bühne springen oder singend auf dem Boden liegen - im Mittelgang zwischen den Zuschauern.
Die schauen meist ähnlich euphorisch drein wie der Künstler. Kein Wunder also, dass bei der nächsten Tour und für alle Zeiten mehr Zuschauer kommen sollten.
Lynn Goldsmith: "Bruce Springsteen & The E Street Band", Hardcover in einer Schlagkassette, 26,9 x 37,3 cm, 4,11 kg, 364 Seiten, 600 Euro, Collector's Edition (Nr. 201-1978), nummeriert und von Lynn Goldsmith signiert, auch erhältlich in zwei Art-Editions (Nr. 1-100 und Nr. 101-200) mit je einem Print von Lynn Goldsmith signiert, Gesamtauflage von 1978 Exemplaren, mehr unter taschen.com
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