"Die Spiele des Jahrhunderts": Der Sprung in die Zukunft

Geschichtsvergessenheit ist ein schlimmes Laster. Aber wer liest schon gerne trockene Geschichtsbücher! Deshalb ist den beiden Autoren Roman Deininger und Uwe Ritzer sehr zu danken, dass sie ein ganzes deutsches Jahrhundert mit ihrem Buch "Die Spiele des Jahrhunderts: Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland" auf mehr als 500 Seiten in äußerst spannender Form aufarbeiten.
Das Buch beginnt bei Olympia 1936 in Berlin
Denn die beiden Journalisten der "Süddeutschen Zeitung", die sich auf ihr Handwerk, das Schreiben, so glänzend verstehen, beginnen bei den Olympischen Spielen von 1936 in Berlin. Hitler missbraucht den Sport, er spielt der Welt einen Friedenswillen vor, den es nicht gibt. 36 Jahre später bekommt Deutschland seine zweite Chance. Ganz bewusst. Die Spiele von München sollen auch einer internationalen Rehabilitierung unseres Landes dienen.
Natürlich - es gibt sie immer noch, die, die im Dritten Reich mehr als Sympathisanten waren, auch 40 Jahre später - und sie werden mit Namen genannt, weil sie immer noch eine Rolle spielen. Und ihre Biographien werden nicht geschönt. Aber es gibt auch ein neues Deutschland, an der Spitze der olympischen Bewegung der damalige Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, Menschen, die den Sprung in eine neue und bessere Zukunft suchen und wagen wollen.
Spannend zu lesen, wie damals darum gerungen wurde, ob man sich diese Spiele in München überhaupt zutraut. Wie München mit Bonn verhandelt, wie es am Ende zum gemeinsamen Interesse wird, dass die Spiele in die bayerische Landeshauptstadt kommen.
Alle Ereignisse werden nochmal lebendig erzählt
Alles, was wir heute kaum mehr bewusst erinnern, wird dann nochmals lebendig erzählt. Das Hochsprung-Gold von Ulrike Meyfarth, die Medaillen von Heide Rosendahl, aber auch die kleinen und großen Siege und Niederlagen all der anderen Athleten aller Länder, die damals an den Olympischen Spielen in München teilnahmen.
Eingebettet wird das Erzählen aber in den politischen Hintergrund der Zeit, den West-Ost-Konflikt, die grausamen Diktaturen der Zeit etwa in Uganda mit Idi Amin und die Schicksale der Sportler, die immer mehr waren als nur Olympioniken. Ihre Geschichten werden von Anfang bis Ende erzählt, oft sind sie traurig genug.
Auch das Attentat ist (ein trauriger) Teil des Buchs
Besonders schlimm ist, was über das Attentat im olympischen Dorf und die Morde an den Olympioniken aus Israel erzählt wird. Alles hätte verhindert werden können, Hinweise gab es mehr als genug, ein ganz trauriges Kapitel des Buches. Noch einmal erstehen die blutigen 70er Jahre vor den Augen des Lesers, die Zeiten des Willy Brandt und Helmut Schmidt und ihr Ringen im Kampf mit dem Terror von damals.
Damalige Politik und der Sport werden in Einklang gebracht
All das ist deutsche Geschichte, aber es wird eben zusammengebunden mit den spannenden Geschichten von Sportlern, die sich in das kollektive Gedächtnis unseres Landes eingeprägt haben.
Der Sport tritt gegenüber der politischen Situation im Buch nicht in den Hintergrund, sondern beides wird klug und gut ineinander verwoben. Und weil die beiden Autoren das Ganze so bunt, aber doch mit dem gebotenen Ernst beschreiben, sei dieses Buch als Weihnachtsgeschenk recht herzlich empfohlen.
Roman Deininger, Uwe Ritzer: "Die Spiele des Jahrhunderts: Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland" (dtv, 528 S., 25 Euro)