Der Bauernkrieg, ein erster Kampf für Menschenrechte

Das glänzend geschriebene Buch "Der Bauernkrieg" von Christian Pantle
Martin Balle |
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In der ehemaligen DDR spielte der Bauernkrieg unter dem Einfluss der marxistischen Geschichtsschreibung eine große Rolle im historischen Gedächtnis. Ab 1976 malte Werner Tübke am Schlachtberg nahe dem thüringischen Bad Frankenhausen ein riesiges Panoramagemälde, das entgegen der Absicht der Auftraggeber die ganze Epoche der Renaissance porträtiert.
Martin Schult/picture-alliance/ dpa 5 In der ehemaligen DDR spielte der Bauernkrieg unter dem Einfluss der marxistischen Geschichtsschreibung eine große Rolle im historischen Gedächtnis. Ab 1976 malte Werner Tübke am Schlachtberg nahe dem thüringischen Bad Frankenhausen ein riesiges Panoramagemälde, das entgegen der Absicht der Auftraggeber die ganze Epoche der Renaissance porträtiert.
Als Bauern kostümierte Darsteller eines historischen Bauernzuges stehen im Heereslager in Sondershausen zur Nachstellung der Bauernschlacht vor 500 Jahren in Bad Frankenhausen.
picture alliance/dpa 5 Als Bauern kostümierte Darsteller eines historischen Bauernzuges stehen im Heereslager in Sondershausen zur Nachstellung der Bauernschlacht vor 500 Jahren in Bad Frankenhausen.
Christian Pantles Buch über den Bauernkrieg.
Verlag 5 Christian Pantles Buch über den Bauernkrieg.
Christian Pantle stammt aus München. Er studierte Physik und Humanbiologie bis zur Promotion, besuchte eine Journalistenschule und arbeitete bis 2013 als Redakteur beim "Focus". Seit 2017 ist er Chefredakteur des Magazins "G/Geschichte". Sein Buch "Der Dreißigjährige Krieg", das auf dem Tagebuch des Söldners Peter Hagendorf basiert, befand sich 2018 mehrere Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste des Spiegels.
privat 5 Christian Pantle stammt aus München. Er studierte Physik und Humanbiologie bis zur Promotion, besuchte eine Journalistenschule und arbeitete bis 2013 als Redakteur beim "Focus". Seit 2017 ist er Chefredakteur des Magazins "G/Geschichte". Sein Buch "Der Dreißigjährige Krieg", das auf dem Tagebuch des Söldners Peter Hagendorf basiert, befand sich 2018 mehrere Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste des Spiegels.

Eine "Kriminalgeschichte des Christentums" hat Karlheinz Deschner sein zehnbändiges Werk genannt, in dem er all die Schattenseiten der Kirche über die Jahrhunderte penibel auflistete. "Eine Kriminalgeschichte des Adels" könnte der Titel des von Christian Pantle so glänzend geschriebenen Buchs "Der Bauernkrieg" heißen.

Denn die Erhebung der Bauern in Süddeutschland, dem Elsass, Teilen der Schweiz und Österreichs vor exakt 500 Jahren waren keine Umsturzversuche, denen der Adel in der Brutalität hätte begegnen müssen, mit der er das am Ende doch getan hat. Es ging nur um bessere Lebensbedingungen in einer vom Adel beherrschten Feudalwelt.

Christian Pantle stammt aus München. Er studierte Physik und Humanbiologie bis zur Promotion, besuchte eine Journalistenschule und arbeitete bis 2013 als Redakteur beim "Focus". Seit 2017 ist er Chefredakteur des Magazins "G/Geschichte". Sein Buch "Der Dreißigjährige Krieg", das auf dem Tagebuch des Söldners Peter Hagendorf basiert, befand sich 2018 mehrere Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste des Spiegels.
Christian Pantle stammt aus München. Er studierte Physik und Humanbiologie bis zur Promotion, besuchte eine Journalistenschule und arbeitete bis 2013 als Redakteur beim "Focus". Seit 2017 ist er Chefredakteur des Magazins "G/Geschichte". Sein Buch "Der Dreißigjährige Krieg", das auf dem Tagebuch des Söldners Peter Hagendorf basiert, befand sich 2018 mehrere Wochen auf der "Spiegel"-Bestsellerliste des Spiegels. © privat

Die Bauern waren über die Jahrzehnte von ihren Herren immer weiter und rücksichtsloser ausgepresst worden, so dass sie einfach handeln mussten. Aber ihre gewaltbereite Revolution endete immer dort, wo es von Seiten des Adels Kompromisse und Versprechen gab, die dann allerdings vom Adel - so bald das für sie möglich war - wieder aufgehoben wurden.

Wie sehr die Bauern dem Adel in Loyalität gegenüberstanden, zeigt ein aus 12 Kapiteln bestehendes Programm, das sich Vertreter des Bauernstandes im Frühjahr 1525 geben und als Flugschrift in Augsburg drucken lassen.

Christian Pantles Buch über den Bauernkrieg.
Christian Pantles Buch über den Bauernkrieg. © Verlag

Die Bauern sprechen darin den Adel "in demütigem Bitten und Begehren" an, wehren sich nur gegen überhöhte Steuerabgaben, fordern gut begründet die Abschaffung der Leibeigenschaft, eine unparteiische Rechtsprechung und dass die Wälder und Gewässer, die von ihnen bewirtschaftet werden, nicht so sehr der Jagdleidenschaft des Adels dienen sollen, sondern einer fruchtbaren Bewirtschaftung durch die Bauern.

"Den großen Zehnt" auf das Getreide wollen sie weiter geben, die Bauern. Am Ende geht es ihnen um einen fairen Interessensausgleich "zwischen Kirche, Grundherren und Bauern". Dieses Programm der Bauern gilt heute in der Wissenschaft als wichtige Sprosse auf der Leiter hin zu einer Welt der Freiheitsrechte und der Demokratie.

Der Adel reagiert mit maßloser Gewalt

Pantle urteilt: Diese Deklaration gehe "sogar weit über Englands berühmte Magna Chrarta von 1215 hinaus, die nur der Minderheit der Bürger freie Rechte zugesteht". Weil die Bauern einfordern, dass am Ende alle Menschen gleich vor Gott geboren seien ("der Hirte wie der Höchste") sieht wenigstens der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau im Jahr 2000 in diesem Programm "die Überzeugung von der Universalität der Menschenrechte".

Und was macht der Adel? Er reagiert mit äußerster Grausamkeit! Die Zahl an Folterungen und Morden an den widersetzlichen Bauernleuten steigt mit jeder Woche. Georg Truchsess von Waldburg und Markgraf Kasimir von Brandenburg-Kulmbach sind zwei der allerübelsten adligen Verbrecher, die vor nichts zurückschrecken. In großer Zahl werden Rebellen, aber auch Unschuldige gefoltert, verbrannt oder geköpft. Es gibt kein Mitleid und kein Erbarmen. Machtpolitik wird rücksichtslos durchgesetzt.

Als Bauern kostümierte Darsteller eines historischen Bauernzuges stehen im Heereslager in Sondershausen zur Nachstellung der Bauernschlacht vor 500 Jahren in Bad Frankenhausen.
Als Bauern kostümierte Darsteller eines historischen Bauernzuges stehen im Heereslager in Sondershausen zur Nachstellung der Bauernschlacht vor 500 Jahren in Bad Frankenhausen. © picture alliance/dpa

Besonders gut erkennbar wird diese Handschrift des Adels am Verhalten von Markgraf Kasimir in Kitzingen. Er verspricht den rebellischen Einwohnern und Bürgern, die zum Teil an der Seite der Bauern stehen, ihr Leben zu schonen, wenn sie sich ergeben würden. Und so sticht er ihnen, um sein Versprechen zu halten, nach deren Aufgabe "nur" die Augen aus und verweist die Erblindeten der Stadt, so dass sie außerhalb der Stadtmauern erbärmlich sterben. Natürlich sterben auch schon einige während der Prozedur, die Kasimirs Henker an ihnen vollzieht.

In der ehemaligen DDR spielte der Bauernkrieg unter dem Einfluss der marxistischen Geschichtsschreibung eine große Rolle im historischen Gedächtnis. Ab 1976 malte Werner Tübke am Schlachtberg nahe dem thüringischen Bad Frankenhausen ein riesiges Panoramagemälde, das entgegen der Absicht der Auftraggeber die ganze Epoche der Renaissance porträtiert.
In der ehemaligen DDR spielte der Bauernkrieg unter dem Einfluss der marxistischen Geschichtsschreibung eine große Rolle im historischen Gedächtnis. Ab 1976 malte Werner Tübke am Schlachtberg nahe dem thüringischen Bad Frankenhausen ein riesiges Panoramagemälde, das entgegen der Absicht der Auftraggeber die ganze Epoche der Renaissance porträtiert. © Martin Schult/picture-alliance/ dpa

Aus der Rechnung des Henkers, die heute noch vorliegt, zeigt sich die ganze Grausamkeit des Adels dieser Tage: Genau verzeichnet sind darin die Enthauptungen, die Zahl der abgeschlagenen Finger und der ausgestochenen Augen. Während die Angehörigen für ihre Männer bitten und flehen, antwortet Kasimir voller Zynismus: Die Rebellen hätten ihn nicht länger als Herrn ansehen wollen, "so sollen sie ihn denn auch nicht mehr sehen".

Eine erste Aufklärung

Das historische Sachbuch von Pantle zeichnet nicht nur sehr informiert die ganze Geschichte der Bauernaufstände vor 500 Jahren nach, sondern setzt sowohl den Unmenschen auf Seiten des Adels als auch den Helden auf der anderen Seite ein Denkmal.

Mit Martin Luther, der Entdeckung Amerikas und der Erfindung des Buchdrucks fällt diese Bewegung zeitlich exakt in die Zeit des Aufbruchs in die Moderne, die manche Fachleute 250 Jahre vor Immanuel Kant als eine Art "Frühaufklärung" bezeichnen.

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Noch aber hält sich der deutsche Adel fast 400 Jahre an der Macht. Mit Otto von Bismarck, den Hohenzollern und am Ende Kaiser Wilhelm II. führt er das 1871 gegründete Deutschland an der Demokratie vorüber in die Abgründe des Ersten Weltkriegs. Erst dann ist der Spuk vorbei.

Nur in "Hallo Deutschland" am Spätnachmittag im ZDF spielen seine letzten Zuckungen mit Hochzeiten und feinen Festen heute noch eine boulevardeske Rolle. Als wertvoller Mosaikstein, um deutsche Geschichte zu verstehen, aber auch als guter spannender Lesestoff sei das Buch von Pantle stark empfohlen.

Christian Pantle: "Der Bauernkrieg" (Propyläen Verlag, 336 Seiten, 22 Euro)

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