Kritik

David Nicholls: Der Beziehungsspezialist

David Nicholls, Autor von "Zwei an einem Tag" ist ein Meister der unkonventionellen, serpentinenreichen Liebesgeschichten. Auch in seinem neuen Roman.
Katrin Kaiser |
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Der britische Autor David Nicholls
Daniel Hambury/ imago/Stella Pictures Der britische Autor David Nicholls

Es gibt unzählige Gründe, warum es mit der Liebe nicht funktioniert: Man lebt sich auseinander oder die Anziehung war sowieso nie stark genug. Es gibt Missverständnisse, die nicht aufgeklärt werden, es gibt Verletzungen, die nie mehr ganz heilen. Oder ein übermächtiger Kinderwunsch erfüllt sich nicht.

In seinem neuen Buch "Zwei in einem Leben" greift der englische Autor David Nicholls all diese Gründe auf. Anfangs wirkt der Roman dadurch wie ein feinsinniges, an Situationskomik reiches Lehrbuch darüber, was beim Kennenlernen und Zusammenbleiben alles schief gehen kann. Die beiden Protagonisten sind jeweils frisch geschieden bzw. getrennt. Die Enttäuschung über die gescheiterte Liebesbeziehung steckt ihnen noch tief in den Knochen, und die Vorstellung, sich noch mal auf einen neuen Partner einzulassen, erscheint unfassbar weit weg.

Die zerbrochene Liebe steckt noch in den Knochen

Die gut gelaunten Verkuppelungsversuche der gemeinsamen Freundin Cleo empfinden die Londoner Lektorin Marnie und der Yorker Erdkundelehrer Michael auf jeden Fall eher als lästig denn als hilfreich. Dennoch lassen sie sich von Cleo zu einer dreitägigen Gruppenwanderung durch Nordengland überreden.

Während Michael sich immerhin auf das Naturerlebnis freut und nach Abreise der anderen Teilnehmer noch einige Tage alleine weiter wandern will, fühlt sich Marnie als Großstadtmensch in ihrer eigens für den Anlass neu erworbenen Outdoor-Kleidung ziemlich fehl am Platz.

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Gemeinsam wandern - muss das sein?

Durch verschiedene Zufälle und Unpässlichkeiten ergibt es sich jedoch, dass genau Marnie und Michael schon am zweiten Tag der als Gruppenaktivität geplanten Wanderung alleine unterwegs sind - bei strömendem Regen.

Das Unwohlsein der beiden ist im ersten Drittel des Romans förmlich mit Händen zu greifen. Umso spannender wird es, als ausgerechnet diese beiden, die auf den ersten Blick so gar nicht zueinander passen, einander über so einige schlechte Gefühle hinweghelfen und eine echte Verbindung zueinander aufbauen. Marnie beschließt schließlich sogar, die Wanderung über die geplanten drei Tage hinaus gemeinsam mit Michael fortzusetzen.

Die Idee von Romantik 

David Nicholls ist selbst leidenschaftlicher Wanderer. Die Strecke zwischen nordenglischer West- und Ostküste, die er Michael planen lässt, ist er selbst gegangen. "Wandern ist eine fantastische Möglichkeit, offene und freie Gespräche zu führen. Es gibt den Rhythmus der Bewegung und außerdem immer Zeit, die gefüllt werden will", sagt Nicholls im Interview. Und genau in dieser Dynamik und diesem Freiraum finden seine beiden ungleichen Charaktere zueinander. "Es gibt sehr wenig, was sie nicht voneinander wissen, bevor überhaupt die Idee von Romantik aufkommt."

Obwohl sich in den freundschaftlichen Austausch und das kumpelhafte Geplänkel immer mehr Momente einer zarten Annäherung mischen, ist ein klassisches Happy End bis zuletzt nicht vorstellbar. Denn auch jetzt kommt immer wieder all das ins Spiel, was eine Liebesbeziehung mit aller Macht verhindert: existenzielle Verstimmungen, depressive Anwandlungen, Begegnungen mit immer noch geliebten Expartnern - und die inneren Schutzmechanismen, die neue Verletzungen verhindern wollen.

Schlagfertige Charaktere und spritzige Dialoge 

David Nicholls ist ein Meister der unkonventionellen, serpentinenreichen Liebesgeschichten. In seinem Bestseller "Zwei an einem Tag" von 2009, der gerade zum zweiten Mal verfilmt wurde (nach dem Spielfilm von 2011 nun als Netflix-Serie), begleitet er seine beiden Helden sogar über 20 Jahre hinweg durch die Momente einer außergewöhnlichen Verbindung.

Das aktuelle Buch "Zwei in einem Leben" ist Nicholls' sechster Roman. Außerdem hat der ausgebildete Schauspieler bereits zahlreiche Drehbücher geschrieben.

Was an seinen Geschichten begeistert, sind die charmanten, schlagfertigen Charaktere, die spritzigen Dialoge und der feine Sinn für Situationskomik.

In "Zwei in einem Leben" kommt das Ende unerwartet und fast zu schnell. Gerne würde man als Leser noch ein paar weitere Stunden und Tage mit Marnie und Michael verbringen.

David Nicholls: "Zwei in einem Leben" (Fischer Krüger, 448 Seiten, 25 Euro, als E-Book 22,99 Euro)

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