Das Werk des Architekten Oskar Pixis: Praktisch, einfach, schön
Günstig heißt nicht billig. Auch wenn das gerade in unseren bis in den letzten Quadratmeter durchkalkulierten und taxierten Regionen gerne verwechselt wird. Im mittelklassigen bis sozialen Bauwesen ist dieses Missverständnis besonders ärgerlich. Das Zeug steht ja doch eine ganze Weile. Gleichwohl ist dagegen kaum anzukommen. "Es sollen doch so viele wie möglich eine Bleibe finden", lassen Planer meist durchblicken. Vor diesem Problem standen die kommunalen und privaten Initiatoren auch schon vor rund 100 Jahren.
Nach dem Ersten Weltkrieg, in den gar nicht so goldenen Zwanzigerjahren, strömten Tausende vom Land in die Stadt, wo es Arbeit gab. Die Verhältnisse waren prekär. Es hätte also genug Gründe gegeben, billig zu bauen, mehr noch als in unseren wohlhabenderen Tagen. Doch vieles kann sich trotz damals eingeschränkter Budgets heute noch sehen lassen, sofern die Gebäude den letzten Krieg überstanden hatten oder zumindest wieder errichtet wurden.
Oskar Pixis - ein ganz entscheidender Mitstreiter Theodor Fischers
Nicht selten steht man verblüfft vor den Lösungen wie etwa an der Arnulfstraße in Neuhausen, wo experimentierfreudige Köpfe wie Hans Döllgast und Orlando Kurz gebaut haben. Oder ein paar Jahre später dann Oscar Delisle, Carl Jäger, Theo Lechner. Und schließlich auf keinen Fall zu vergessen: Theodor Fischer, der unter anderen die Arbeitersiedlung Alte Heide im Münchner Norden konzipiert hat.
Von Fischer ist häufig die Rede, wenn es um außergewöhnlich gute Architektur geht. Dabei wird freilich übersehen, dass dieser nonchalante Überwinder des Historismus, der seinen Stil immer aus der jeweiligen Umgebung, aus dem sozialen Umfeld und nicht zuletzt aus den Bedürfnissen der Bewohner heraus entwickelte, einen ganz entscheidenden Mitstreiter hatte: Oskar Pixis (1874-1946).

"Oskar Pixis. Wohnbauten der 1920er und 1930er Jahre in München"
Ein neues Buch fasst nun dessen "Wohnbauten der 1920er und 1930er Jahre in München" zusammen. Endlich. Denn wenn einer verstanden hat, günstig, praktisch, wohnlich und auch noch schön zu bauen, dann Pixis. Nur, was geht auf sein Konto?
Der Architekturhistoriker Rainer Schützeichel hat sich mit Studierenden der Hochschule München auf Spurensuche begeben, und selbstredend führte der Weg erst einmal zu Theodor Fischer, dessen Büro Pixis von 1904 etwa zwei Jahrzehnte lang geleitet hat. Das heißt, wo Fischer draufsteht, war oft genug Pixis am Werk - auch wenn der am Ende seines Lebens rückblickend schreibt, er sei in der Hauptzeit "nur helfend, nicht schaffend" tätig gewesen. Das ist natürlich grob untertrieben. Der 1874 geborene Münchner, der sich beim Erfolgsteam Heilmann & Littmann sowie bei Alfred Messel, dem Architekten von Warenhaus-Träumen, die allerersten Sporen verdient hat, arbeitet geräuschlos und weiß, was zu tun ist.
Fischer vertraut Pixis und lässt ihn machen. Das reicht von der Verhandlung und Korrespondenz bis zur Bauaufsicht. Und man darf davon ausgehen, dass Pixis vieles ausarbeitet, was Fischer allenfalls andenkt. Dass das bestens funktioniert, bewies der Jüngere bereits beim Schulgebäude an der Hirschbergstraße, wo er die gesamte Gestaltung der Fassade, der Dachdetails, Portale, Türen und der Inneneinrichtung übernommen hatte - seinerzeit noch als Nachfolger Fischers im Münchner Stadtbauamt. Pixis übernimmt von Anfang an viel Verantwortung, während Fischer durch Lehrstuhl, Vorträge, Verbands- und Juryposten fast ständig unterwegs ist.
Oskar Pixis machte sich als Architekt von Wohnraum selbstständig
Mag sein, dass das seinen bescheidenen Vertreter am Verfolgen eigener Pläne gehindert hat. Auf der anderen Seite ist Pixis ein Routinier, als er sich im Alter von 50 Jahren endlich selbstständig macht - als Architekt von Wohnraum.
Ab 1923 entstehen das Haus Dittmar in Bogenhausen, eine Stadtvilla in der Nähe des Parks am Shakespeare-Platz mit einfachem Walmdach, und gleich darauf das Anwesen für den Bildhauer Hans Defregger, Sohn des bekannten Malers, am Englischen Garten. Da "fischert" es noch sehr. Aber dann kommen auch schon die ausladenden Wohnblöcke in Neuhausen an der Balmungstraße (eines der ersten Projekte der Gewofag) oder ab 1928 auf Initiative des "Vereins für Verbesserung der Wohnungsverhältnisse in München" im nahen Gern an der Klugstraße.

Die schiere Größe der hell verputzten Anlage in "moderater architektonischer Moderne", wie Schützeichel schreibt, hat im damals noch sehr dörflichen Gern nicht jedem geschmeckt. Wie man allerdings günstig gut bauen kann, wird hier besonders augenfällig. Jede Wohnung hat Fenster zur Straße - zum Teil über Eck - und zum Innenhof hin, das beschert den Bewohnern Licht. Und dann gibt es sogar Balkone, ein beträchtlicher Kostenfaktor - aber ein paar Quadratmeter, die die Lebensqualität deutlich erhöhen.
Was Pixis plant, ist unauffällig, fügt sich ein. Warum? Weil die Proportionen stimmen, weil die Schnitte nie etwas vortäuschen, sondern auf den Menschen abgestimmt sind, weil die Details liebevoll, aber nie zu verpuzzelt ausfallen. Weil Pixis das Gegenteil von Poser-Architektur hinstellt und das höchst solide. Darin liegt eine Qualität, derer man sich unbedingt erinnern sollte.
Rainer Schützeichel (Hrsg.): "Oskar Pixis. Wohnbauten der 1920er und 1930er Jahre in München" (Deutscher Kunstverlag, 120 Seiten, 32 Euro)
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