"Damit Kinder es nicht in ihren Wortschatz übernehmen": Verlag streicht N-Wort aus beliebtem Kinderbuch "Jim Knopf"

Wer Kindern gerne aus den Büchern der eigenen Jugend vorliest, kennt das Problem: "Pippi Langstrumpf", die "Jim Knopf"-Bücher und andere Klassiker sind voll von Stereotypen, die heute als rassistisch gelten. Das kann einem das Vorlesen verleiden – oder auch interessant machen, weil man sich selbst Änderungen überlegen muss.
Auch Verlagen stellt sich dieses Problem. Sollen sie die Bücher überarbeiten oder aus Respekt vor dem Autor und urheberrechtlichen Scherereien unverändert lassen? Der Verlag Thienemann hat sich nun entschieden, in der am 24. Februar erscheinenden Neuauflage der beiden "Jim Knopf"-Romane das N-Wort zu streichen. Diese Änderung erfolgt in Abstimmung mit den Erben von Michael Ende. Außerdem wurde die Titel-Illustration angepasst – ebenfalls in Absprache mit dem Erben des Illustrator F. J. Tripp, erklärte der Verlag in einer Pressemitteilung.

Neue Illustration für "Jim Knopf": Stereotype Beschreibungen reduzieren
"Damit Kinder, die die Bücher jetzt lesen, diese sprachlichen Elemente nicht in ihren Alltagswortschatz übernehmen, haben Nachlass und Verlag nach reiflicher Überlegung entschieden, das N-Wort zu streichen und die stereotypen Beschreibungen zu reduzieren", heißt es zur Begründung. Man sei sicher, dabei im Sinn des Autors zu handeln, der "bekanntermaßen weltoffen, respektvoll und immer für die Kinder war".
Ende habe das N-Wort Anfang der Sechzigerjahre bewusst nur Herrn Ärmel in den Mund gelegt, "um auf die fehlende Weltoffenheit dieses typischen Untertans hinzuweisen", heißt es von Verlag und Nachkommen. Heute würde auch ein derart distanzierter Gebrauch des Wortes als diskriminierend gewertet. Dasselbe gelte für die Gleichsetzung von schwarzer und schmutziger Haut, die Michael Ende laut Verlag als Stilmittel einsetzt, um die enge Verbindung zwischen Jim Knopf und dem Lokomotivführer Lukas besonders zu betonen.
Im Buch von Michael Ende werden aus Eskimos Inuit
Bei der Öffnung des Pakets, in dem sich das Baby Jim Knopf befindet, wird nun auf die Nennung der Hautfarbe ganz verzichtet. Auch andere Passagen wurden angepasst. Ein "Indianerjunge" wurde zu einem "Jungen", an einer anderen Stelle zu einem "Häuptlingssohn". Um die Fremdbezeichnung "Eskimo" zu vermeiden, ist nun von einem "Inuitkind" die Rede.
Als 2015 eine Jubiläumsausgabe zum 55-jährigen Veröffentlichungsjahr von "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" erschien, entschied sich der Verlag Thienemann-Esslinger noch dagegen, die rassistische Bezeichnung für Jim Knopf zu ändern. Der Verlag begründete dies damit, dass der 1995 verstorbene Schriftsteller sich dazu nicht mehr äußern könne, außerdem komme das Wort nur vor, um Herrn Ärmel als Besserwisser darzustellen.
Das "Jim Knopf"-Buch ist voller Asien-Klischees
Das N-Wort lässt sich verlustfrei aus "Jim Knopf" streichen. Schwieriger sind die Chinesenwitze und das asiatische Essen. Als Jim Knopf "hundertjährige Eier auf einem zarten Salat aus Eichhörnchenohren" und "gezuckerte Regenwürmer in saurer Sahne" angeboten werden, fragt er nach einem "großen Butterbrot" und "Bratkartoffeln mit Spiegelei". Immerhin scheint dem ernsthaft an Japan interessierten und zuletzt mit einer Japanerin verheirateten Ende seine China-Exotik zuletzt selbst peinlich geworden zu sein: Seit 1983 spielt das Buch in einem fiktiven "Mandala".
Der Verlag erklärt auf Nachfrage, stereotype Beschreibungen wie "Mandelaugen" und Beschreibung der Hautfarbe als "Gelb" seien herausgenommen worden. "Mehr wurde nicht geändert". Weggefallen ist übrigens auch die Pfeife im Mund des jungen Jim Knopf auf den Covern. Die Änderungen betreffen die seit 2015 erscheinenden farbig illustrierten Neufassungen. Die Ausgaben mit den ursprünglichen schwarz-weißen Illustrationen bleiben unverändert lieferbar. Sie erhalten zukünftig allerdings ein einordnendes Nachwort.

Michael Ende war kein Rassist
Bei aller Kritik an den Büchern darf eines nicht vergessen werden: Endes Romane sind in ihrer Absicht und Botschaft nicht rassistisch. Sie rechnen verdeckt mit dem Nationalsozialismus ab, die Hauptfiguren und ihre Freunde sind Außenseiter.
Und am Ende zeigt das Buch ein utopisches Land, in dem Kinder aus aller Welt in Frieden leben dürfen. Aber Ende war auch Kind seiner Zeit. Dass die Romane Ende der 1950er Jahre entstanden, ist ihnen heute allerdings deutlicher anzumerken als noch vor einiger Zeit. Und manche Werke der Literatur altern auch schlechter wie andere.