Corona: Mallorca in der Krise

Am vergangenen Samstag war es endlich so weit – nach sieben Wochen „Hausarrest“ durften die Mallorquiner zum ersten Mal auf die Straße, um Sport zu treiben oder spazieren zu gehen. Ein paar Tage später ist die sogenannte Phase null auf dem Weg in die „neue Normalität“ in Kraft getreten. Zwar darf die Bevölkerung altersabhängig weiterhin nur zu bestimmten Uhrzeiten vor die Tür, aber kleine Geschäfte, Buchhandlungen und Friseursalons haben ihre Pforten wieder geöffnet.
Mit Spannung wird nun der 11. Mai erwartet, an dem es in Phase Eins geht, in der Restaurants und Cafés (mit einer maximalen Belegung von 50 Prozent) sowie Hotels wiedereröffnen dürfen. Für zahlreiche Gastronomie- und Hotelbetreiber jedoch steht jetzt schon fest, dass ihre Türen vorerst verschlossen bleiben. „Wie sollen wir denn öffnen, wenn gar keine Flüge, geschweige denn Touristen nach Mallorca kommen?“, sagt Matias Marthas, Eigentümer der Aparthotels Niu d'Aus in Cala D'Or, im Südosten der Insel.
Viele werden weiter Angst haben zu verreisen
13,6 Millionen ausländische Touristen besuchten die Balearen im vergangenen Jahr, 2,6 Millionen Spanier kamen vom Festland. Während der Tourismus 12 Prozent der Wirtschaftsleistung Spaniens ausmacht, sind es für die Balearen 45 Prozent. Und fast 20 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten auf Mallorca im Tourismus. Viele Menschen werden weiterhin Angst haben zu verreisen Wie für die meisten Einheimischen ist auch für Marthas diese Saison nicht mehr zu retten und er spielt bereits mit dem Gedanken, dieses Jahr gar nicht zu öffnen.
„Auch wenn es wieder erlaubt sein sollte, dass Deutsche und Briten hierherkommen, werden viele Menschen einfach Angst haben zu verreisen, solange es keinen Impfstoff gibt“, sagt er. Marthas, der 28 Jahre lang Präsident der Hotelvereinigung von Cala D'Or war, sieht eine sehr komplizierte Zeit auf seine Landsleute zukommen. „Nun kann sich derjenige glücklich schätzen, der Arbeit hat, denn viele Kleinunternehmer wird diese Krise wahrscheinlich zugrunde richten. Wie sollen wir auch unsere Mieten, Hypotheken und Kredite für Renovierungsarbeiten bezahlen, wenn wir keine Einnahmen haben?“, sagt er.
Auf der anderen Seite der Insel, in Sóller, führt Marga Arbona zusammen mit ihrem Bruder und ihren Eltern die kleine familiäre Eisdiele Ca'n Pau. „Es ist alles so unklar, die Regierung ändert ja andauernd die Bestimmungen, wir wissen auch noch nicht recht, ob wir nächste Woche eröffnen“, sagt die 37-Jährige. Aber trotzdem hätten sie noch Glück, im Vergleich zu vielen anderen Betrieben. „Bei uns kommen ja auch Einheimische vorbei und ein Eis kann man sich eher leisten als ein 3-Gänge-Menü in einem Restaurant“, erklärt sie. Aber auch für ihr kleines Unternehmen wird es sich schwer gestalten, all die laufenden Kosten zu zahlen – und sparen für die kommenden Wintermonate wird ein Ding der Unmöglichkeit sein. „Unsere Angestellte werden wir diese Saison auch nicht beschäftigen können, wenn kaum Arbeit für uns selbst da ist“, sagt Arbona. Nun ist auch noch Es Firó, das größte mallorquinische Volksfest, das jeden Mai in Sóller stattfindet, abgesagt worden. Marga Arbona sieht düstere Monate auf die mallorquinische Wirtschaft zukommen.
Fast jeder Dritte hat keinen Job
Gestern vermeldete die Regierung der Balearen den stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit Spaniens, fast jeder Dritte hat zu Beginn der eigentlich einsetzenden Tourismussaison keinen Job. Sebastià Palmer arbeitet zwar nicht in der Tourismusbranche, aber die Auswirkungen des spanienweiten Alarmzustands haben auch seine berufliche Zukunft ins Wanken gebracht. Seit fast zwei Jahren bereitet er sich in Palma auf Staatsexamen im öffentlichen Dienst vor, die jetzt allesamt ohne spezifisches Datum verschoben worden sind. „Ich weiß nun nicht, ob die Prüfungen in zwei Monaten, in einem Jahr oder vielleicht gar nicht mehr stattfinden werden“, sagt der Mallorquiner. Hunderttausende Spanier, die sich auf eine Beamtenlaufbahn vorbereiteten, bangen nun, dass sich das Szenario der Finanzkrise von 2008 wiederholt – während einer Periode von zehn Jahren wurden damals durch die staatlichen Sparmaßnahmen fast gar keine Stellen im öffentlichen Dienst ausgeschrieben. „Vorerst werde ich weiterlernen, denn zum Glück habe ich in den vergangenen Jahren Geld auf die Seite gelegt“, sagt Palmer.
Spanien steht schlechter da als andere Länder
Der studierte Betriebswirt ist sich dem Ernst der wirtschaftlichen Lage jedoch vollkommen bewusst. „Spanien hat trotz des Wachstums der letzten Jahre nicht dafür gesorgt, seine Staatsschulden zu verringern, und somit stehen wir in der jetzigen Krise noch schlechter da als viele andere Länder“, sagt Palmer. Daher ist er der Ansicht, dass eine Intervention der EU in seinem Heimatland unvermeidbar ist. „Nach all der miserablen Handhabung der Finanzen, haben es die spanischen Politiker verdient, dass Experten aus Brüssel einschreiten und unsere Wirtschaft in die Hand nehmen“, sagt er. Etwas Positives kann er der ganzen misslichen Lage trotz allem abgewinnen. „Ich freue mich auf einen Sommer, in dem unsere Strände, Buchten und Straßen endlich einmal nicht vollkommen überfüllt sein werden – der Massentourismus der vergangenen Jahre war einfach zu viel für die Naturressourcen unserer Insel“, sagt Palmer.