Bruno Jonas über sein neues Buch: "Der Kuh ist Politik egal"

Bruno Jonas über sein neues Buch „Totalschaden“ und die Ironisierung des Abendlandes.
von  Interview: Volker Isfort
Der Autor und Kabarettist Bruno Jonas.
Der Autor und Kabarettist Bruno Jonas. © dpa

Er stand neben Dieter Hildebrandt im ARD-„Scheibenwischer“ im Fernsehen, wo er sich zur Lage der Nation geäußert hat. Und natürlich steht er seit Jahrzehnten auf der Kabarettbühne. In seinem neuen Buch „Totalschaden“ holt Bruno Jonas zum Rundumschlag aus gegen Politik, Gesellschaft und Kultur. Seine Mission: die Ironisierung des Abendlandes.

AZ: Herr Jonas, Ihr neues Satirebuch beginnt mit einem Hinweis, dass es ironisch ist. Warum?
BRUNO JONAS: Ich arbeite an der Ironisierung des Abendlandes. Ich habe festgestellt, dass – wenn es um Ironie in geschriebenen Texten geht – die Menschen oft verunsichert sind. Wenn man Ironie nicht kennzeichnet, wird sie oft nicht erkannt.

Das heißt, dass alle ihre im Buch „Totalschaden“ gemachten Auslassungen über Politik, Gesellschaft und Kultur ironisch gemeint sind?
Nicht alles ist ironisch gemeint. Zu überlegen, wo die Ironie beginnt und wo sie aufhört, steigert das Lesevergnügen.

Ein „Totalschaden“ in Ihrem Buch ist beispielsweise der Gutmensch.
Das Wort Gutmensch ist ja als Unwort des Jahres geächtet worden. Das soll man also gar nicht mehr gebrauchen. Da bin ich als unabhängiger Künstler skeptisch, weil es das Wort ja gibt, und es einen gewissen Bedeutungshorizont aufruft. Mir persönlich ist es passiert, dass ich beim Einkaufen im Supermarkt offensichtlich die falsche Milch in den Wagen gestellt habe. Da hat mir wirklich jemand in den Arm gefasst und gesagt: „Herr Jonas, diese Milch dürfen Sie nicht kaufen. Wissen Sie denn nicht, auf welcher politischen Seite der Molkereibesitzer steht?“ Man sieht es der Milch aber nicht an, ob sie links oder rechts ist, der Kuh übrigens auch nicht. Ich habe mich trotzdem seinem Ratschlag gebeugt, zur Biomilch gegriffen – und mir gedacht: Das war jetzt ein klassischer Gutmensch, ein Mensch, der dir sagt, wie Du Dich zu verhalten hast.

Das müssen Sie ja nicht ernst nehmen.
Natürlich nicht. Vielleicht war es ja Ironie, die ich nicht erkannt habe. Aber was ich am Gutmenschen etwas unangenehm finde ist, dass er uns entmündigen möchte. Er möchte mir und uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Und das möchte ich für mich doch gerne selber entscheiden dürfen.

Einen anderen „Totalschaden“ sehen Sie im Fall Gauland.
Wenn ich das Zitat von Gauland über Boateng und die Nachbarschaft gemacht hätte, wäre niemand auf die Idee gekommen, mir Rassismus zu unterstellen. Ich bin Pate gegen Rassismus an meinem alten Gymnasium in Passau. Hätte ich diese Aussage gemacht, wäre es ein Satz gewesen, der den allgemeinen Rassismus anprangert.

Die Tatort-Kommissare mit den meisten Zuschauern

Herr Gauland hat selbst in zahlreichen Talk-Shows dazu beigetragen, dass er anders verstanden wurde.
Ich finde auch, er könnte eine geistige Patenschaft gut gebrauchen. Aber mir geht es bei diesem Beispiel ja um etwas Anderes: Wie funktioniert die Öffentlichkeit, wie entsteht Deutungshoheit? Ein anderes Beispiel: Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben von Kontingenten für Flüchtlinge gesprochen, aber die AfD als Volksverhetzer dargestellt. Die AfD ist für das Kabarett eine echte Bereicherung. Der Erste, der die Obergrenze für Flüchtlinge gefordert hat, war Horst Seehofer. Das erste Land, das diese eingeführt hat, war das rot-grün regierte Schweden. Seehofer hat sich also in Schweden durchgesetzt. Offensichtlich gibt es also eine „fortschrittliche“ rot-grüne Obergrenze und eine reaktionäre, die nur im engstirnigen Bayern erfunden werden konnte. Gibt es eigentlich richtige Aussagen, die auch richtig bleiben, wenn es der Falsche sagt? Oder wird eine richtige Aussage falsch, wenn es der Falsche sagt. Das interessiert mich als parteipolitisch unabhängiger Satiriker.

Ihren Berufsstand nehmen Sie sich ja auch kritisch zur Brust.
Ja, ich habe manchmal den Eindruck, wir inszenieren da mit dem Publikum eine Empörungsgemeinschaft. Wir treffen uns, um uns gemeinsam zu erregen, das geht in Richtung Ritual, Liturgie und Messe. Mei, ich sitze da auch selber ein bisschen im Glashaus, aber ich finde es nicht mehr so prickelnd. Wenn ich selber ins Kabarett gehe, möchte ich mich nicht dauernd moralisch belehren lassen. Ich mag mich lieber mal überraschen lassen, mal eine neue Perspektive präsentiert bekommen. Wir als Satiriker arbeiten ja mit Überhöhungen, da sollte man auch mal was riskieren. Wenn die Künstler schon nicht mehr neue Wege beschreiten, weil sie sich eher parteipolitisch einordnen, dann wird es ziemlich langweilig.

Ein bisschen gegen die Kirche, ein bisschen gegen die CSU, das ging aber viele Jahrzehnte sehr gut auf der Kleinkunstbühne.
Das ist Satire als Fortsetzung der Linken mit kabarettistischen Mitteln. Ich weiß auch, woher das kommt. Ich habe das bei dem im letzten Jahr verstorbenen Philosophen Odo Marquard gelesen: Das geht zurück auf Lenin. Die revolutionäre Kunst hat sich der Partei unterzuordnen. Nieder mit den unabhängigen Künstlern. Die Kunst muss im Dienst der Revolution stehen. Das hat sich erhalten bis zur SPD-Wählerinitiative.

Wann haben Sie sich denn zuletzt parteipolitisch einspannen lassen?
Das ist bestimmt drei Jahrzehnte her, als ich mit Joschka Fischer, dem damaligen hessischen Umweltminister, aufgetreten bin. Ich habe damals schon gedacht: Ich mach ja jetzt Satire für etwas, das ist der falsche Ansatz. Satire ist grundsätzlich, von seiner Ausrichtung und vom satirischen Formprinzip her, immer gegen Zustände gerichtet.


Bruno Jonas stellt "Totalschaden" (Piper, 304 S., 20 Euro) am 1. 11. um 20 Uhr im Lustspielhaus vor

 

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