Bruce Springsteen: Der ewige Traumarbeiter
Am Donnerstag kommt der Boss. Seit mehr als drei Jahrzehnten füllt Bruce Springsteen mühelos die Stadien der Welt. Einfacher Rock und eine Kombination aus Heiligem und Banalem halten seine Fans im Bann
Ein Kumpelhaufen ist die E Street Band. Diese Typen scharen sich nicht hinter ihrem Chef Bruce Springsteen, sie stehen an seiner Seite. Wer die Gruppe erlebt hat, der weiß, wie sich eine Rock-Show anfühlt. Vor drei Jahren war Bruce das letzte Mal in München. Heute Abend spielt er im Olympiastadion. Wie schafft es ein hemdsärmliger Jeanstyp seit Jahrzehnten, mit konventioneller Rockmusik weltweit die Stadien zu füllen. Was macht das Phänomen Bruce Springsteen aus?
„Working On A Dream“ heißt das neue Springsteen-Album. Die Veröffentlichung fiel fast mit der Amtseinführung Barack Obamas zusammen. Es hätte keinen Geeigneteren zur künstlerischen Begleitung dieser Feier geben können als Springsteen vor einem Gospelchor auf den Stufen des Kapitols. Keiner integriert den amerikanischen Traum über Rassen- und Klassengrenzen wie der 59-jährige.
Aus der Distanz des Europäers tut man sich nicht leicht mit dem Titelsong der neuen Platte, der von Händen handelt, die rissig sind von der Arbeit an einem Traum. Trotzdem reißt Springsteen auch die deutschen Massen mit. 2003 spielte er „Born in the USA“ im Olympiastadion. Eine akustische Version, die das amerikanische Schmerzpotential enthüllt: „Sie drückten mir ein Gewehr in die Hand / und schickten mich nach Vietnam / um den gelben Mann zu töten.“ Es ist das Offenlegen der Wunde, was Springsteen vom Nationalisten unterscheidet. Dafür Liebe Europa als Aufrechten, der die Fehler seines Landes benennt.
Sein Land sollte aus Ruinen auferstehen
„Born in the USA“ war ein Riesenerfolg, trotz der Selbstkritik, auch in den USA. Zu gerne hätte Ronald Reagan 1984 den Hit für seine Wahlkampagne gekapert. Springsteen stoppte das, 2004 engagierte er sich bei „Vote for Change“ mit Gruppen wie R.E.M. für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry wie später für Obama. . Sein Land sollte aus Ruinen auferstehen wie in „The Rising“. Das war sein Kommentar zum 11. September, zum Sturz der zwei Türme. Eben jenen Song spielte Bruce für Obama.
Um zu verstehen, wo dieser Sänger steht, hilft ein Blick auf seine musikalische Sozialisation. Die Kindheit in Freehold, New Jersey begleitete der Soundtrack von Elvis Presley (natürlich), aber auch Outlaw-Country-Männern wie Hank Williams. Später zeigen ihm Bob Dylans Alben, wie man Lyrik und Rock verbindet. 2006 erschien „We Shall Overcome - The Seeger Sessions“, ein Album mit Coverversionen von Pete Seeger. Der ist Pfleger der Folk-Tradition, engagierte sich für die Arbeiterbewegung und stand auf der Liste des Kommunistenjägers McCarty.
Eine Hymne auf das Mädchen an der Supermarktkasse
„Nebraska“ und „The Ghost Of Tom Joad“ sind Werke, mit denen Springsteen tief in die Tradition der amerikanischen Volksmusik tauchte. Dieser akustische Sound, den Springsteen für sich als Erzähler von gebrochenen Gestalten gefunden hat, steht im Gegensatz zu seinem Muskel-Rock, der die Instrumente zu Klangmauern schichtet.
Bruce ist Kind einer Arbeiterfamilie. Vater Douglas hielt die Familie mit diversen Jobs zwischen Taxifahrer und Gefängniswärter am Laufen. Die Mutter Adele arbeitete als Sekretärin. Auch wenn Bruce in seinen Songs mit den Stimmen der unterschiedlichsten Personen spricht, einen kann man nie hören: den Intellektuellen, der über dem Geschehen steht. „Queen Of The Supermarket“ heißt eine der aktuellen Nummern. Der Sänger schwebt mit seinem Einkaufswagen durch die Gänge – er ist verliebt in das Mädchen an der Kasse. Und er singt ihr eine Hymne zwischen Suppendosen, Hundefutter und Haushaltsreiniger. Einen Spaß macht sich Springsteen aus dem Nebeneinander von Banalem und heiliger Liebe nicht. In den Supermärkten, den Fabriken, den Werkstätten, wo Menschen ohne Krankenversicherung arbeiten, während mittlerweile ihre Häuser vor der Pfändung stehen, ist kein Platz für Ironie.
Sein Instrument ist sein Werkzeug
Nach amerikanischem Mittelstand klingt auch sein Privatleben. In zweiter Ehe ist Bruce immer noch mit der E-Street-Band-Sängerin Patti Scialfa verheiratet. Das unelegante Ende seiner ersten Ehe mit Julianne Phillips liegt 20 Jahre zurück. Die letzten, vehement dementierten Gerüchte um eine Affäre sind in dieser Hinsicht die stumpfe Skandal-Spitze.
Springsteen auf der Bühne, das ist ein Arbeiter an der Rock-Front. Seine abgewetzte Fender Telecaster, ein Werkzeug wie der Schraubenschlüssel, mit dem man den Motor justiert. Es war John Landau, der Anfang der 70er jenen Satz schrieb, den man als Pop-Kritiker nur einmal schreiben sollte: „Ich habe die Zukunft des Rock'n'Roll gesehen, und ihr Name ist Bruce Springsteen.“ Eine Zukunft hatte die Rock-Musik in jenen Tagen bitter nötig. Jimi Hendrix, Janis Joplin, Brian Jones, Jim Morrison – der Tod war durch die Reihen der Pioniere gezogen. Punk hatte übernommen. Bands wie die Stooges schossen mit Songs wie „Search & Destroy“ das, was vom Rock noch übrig war zu Klump. Was fehlte war eine Figur, die Ausdruckskraft und Begeisterung vereinte, ohne die Musik der Vorangegangenen im Inkubator am Leben zu erhalten.
Er nimmt die Angst vor dem, was kommen mag
Die anhaltende Begeisterung für diesen Künstler zeigt, dass Springsteen mit seinem Vertrauen auf musikalische Tradition und den Ursprung der Rock-Musik Recht hatte. Mit einer konservativen Haltung, die sich nicht traut, an den Verhältnissen zu rütteln, hat das nichts zu tun. Eher damit, dass der Volkssänger in die alten Formen neue Inhalte gießt. Der Folker mit akustischer Gitarre vor dem Gospelchor verbindet die schwarze und weiße Geschichte seines Landes und nimmt die Angst vor dem, was kommen mag.
Christian Jooß
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