Brennende Leidenschaft
Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann in einer neuen Studio-Aufnahme von Puccinis japanischem Edelreißer „Madame Butterfly“
Ich bin als Diva geboren“, sagt die rumänische Sopranistin Angela Gheorghiu. „La Draculette“ schwänzt Proben und hält mit ihren Capricen Publikum wie Intendanten bei Laune. Im Juli wird die Primadonna mit einem Gala-Abend die Münchner Festspiele zieren, zuvor gastiert sie unter der tenoralen Begleitung des künftigen Schwanenritters Jonas Kaufmann in Giuseppe Verdis „La traviata“.
Der schöne Münchner ist Gheorghius bevorzugter Bühnen-Partner, seit die Karriere ihres Gatten Roberto Alagna schwächelt. Sie wünschte sich Kaufmann auch als Pinkerton in der neuen „Butterfly“-Gesamtaufnahme unter Antonio Pappano. Das ist überraschend, weil Kaufmanns baritonale Heldenstimme mehr in Richtung Max, Florestan oder Parsifal drängt. Dem lässt sich freilich entgegenhalten, dass der liederliche Amerikaner für Giovanni Zenatello komponiert wurde, der ein berühmter Interpret des Otello war. Kurz nach der desaströsen Uraufführung an der Mailänder Scala sang er 1904 in Brescia auch die nachkomponierte Arie „Addio, fiorito asil“ im dritten Akt.
Geschmackssache
Kaufmanns Stimme betört weniger durch Schmelz als durch brennende Leidenschaft. Auch ohne typische Puccini-Stimme holt er das Beste aus der Rolle heraus. Ohne tenorale Allüren zeigt er Pinkerton als naiven Burschen, der im dritten Akt in Zerrissenheit verzweifelt.
Auch die Gheorghiu dürfte Geschmackssache bleiben. Wie Toti dal Monte oder Maria Callas erweckt sie durch stimmliche Färbungen den Anschein einer 15-jährigen Geisha. Das wirkt, je nach Tagesform des Hörers, durch Verletzlichkeit anrührend oder reichlich preziös. Leider gelingt ihr die Verwandlung in eine Tragödin vor dem Harakiri nicht völlig: Da fehlt es der Sängerin an dramatischer Kraft.
Suzuki (Enkelejda Shkosa) tremoliert altjüngferlich, der Konsul (Fabio Capitanucci) bleibt unauffällig, Onkel Bonzes Stimme nervt. Aber der Dirigent und das exzellente Orchester wiegen alles auf: Mit kerniger Dramatik, auf jede Süßlichkeit verzichtend, steuert Antonio Pappano das Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa Cecilia Rom durch die Partitur. Seit Karajan oder Maazel hat keiner Puccini so ernst genommen.
Robert Braunmüller
Giacomo Puccini: „Madame Butterfly“ (2 CDs, EMI Classics)
Jonas Kaufmann als Don José
Regietheater gibt es bei dieser „Carmen“ nicht. Francesca Zambello beschränkt sich brav auf das Andalusien-Klischee. Anna Caterina Antonacci erscheint schweißgebadet, zeigt viel Haut und gewährt Einblicke in ihr Dekolleté. Aber sie beweist nur, dass Verhüllung erotischer wäre als Enthüllung. Im Orchestergraben von Londons Covent Garden balanciert Antonio Pappano geschickt zwischen Tragödie und Komödie. Sehens- und hörenswert ist die DVD jedoch vor allem wegen Jonas Kaufmanns hochneurotischem Don José. Bläserhaften französischen Gesang darf man nicht erwarten: Er unterstreicht das tragische Leid und kultiviert den herben Schmerzenston. Eindrucksvoll verkörpert er den psychischen Verfall eines schmucken Leutnants zum wilden, vor Eifersucht rasenden Zausel. Seit Rolando Villazón ist niemand mehr so in Don Josés Passion aufgegangen. Bei Kaufmann muss man aber nicht um die Stimme fürchten (Decca).
RBR
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