Kritik

Bradley Cooper inszeniert "Maestro" und spielt Leonard Bernstein

Cooper blendet in "Maestro" einige Konfliktfelder in Bernsteins Leben aus
von  Adrian Prechtel
Bradley Cooper als Leonard Bernstein und Carey Mulligan als dessen Ehefrau Felicia Montealegre.
Bradley Cooper als Leonard Bernstein und Carey Mulligan als dessen Ehefrau Felicia Montealegre. © Netflix

"Maestro" ist ein mittlerweile etwas verpönter Begriff, weil moderne Pultstars keine "Götter mit Taktstock" mehr sind, als die Furtwängler, Karajan oder eben der jüngere Leonard Bernstein (1918 bis 1990) noch galten.

Aber Bradley Cooper hat als Hauptdarsteller, Regisseur und Produzent entgegen seinem Titel "Maestro" keinen Musikfilm gedreht, auch wenn er in Interviews die Musik von Bernstein und Mahler als "Geheimwaffe" seines Films bezeichnet hat. So kann man zwar ungestört in Gustav Mahlers Adagietto aus der 5. Sinfonie schwelgen, und filmisch ist die überwiegend glänzend schwarz-weiße Künstlerbiografie sogar originell. Aber inhaltlich bleibt "Maestro" dann doch sehr brav, weil Cooper auf jegliche Sprengkraft verzichtet.

Zu Beginn allerdings zeigt Bradley Cooper, dass er ein durchaus origineller Regisseur sein kann. Der junge Lenny liegt rauchend im Bett, das Telefon klingelt, ein Blitz durchfährt ihn, er sagt dem jungen Bettgefährten hektisch Adieu, während er in seine Hose fährt. Und ohne merklichen Schnitt geht es sausend durch Straßen, durchs Portal der Carnegie Hall mit Kamerafahrten durch Wände direkt in den Probensaal.

Es ist der 14. November 1943, als der 25-Jährige für den erkrankten Bruno Walter einspringt - inklusive landesweiter Rundfunkübertragung. "A Star is born" in filmisch rasant-witzigen fünf Minuten. Und auch Cooper - der gerne Dirigent geworden wäre - schlägt sich gut am Pult, wenn er Lenny-like dem Orchester und dem Publikum die Musik enthusiastisch einpeitschen will.

Und doch ist "Maestro" vor allem ein romantischer Liebesfilm. Denn Bernstein war - bis zu ihrem frühen Tod im Alter von 56 Jahren - mit der vier Jahre jüngeren, chilenischen Schauspielerin Felicia Montealegre verheiratet und hatte mit ihr drei Kinder. Aber damit nichts den Zuschauer verstört, ist vieles ausgeblendet.

Bernsteins Bisexualität wird völlig jugendfrei und spielerisch behandelt, dabei waren homosexuelle Akte noch strafbar. Auch New York war da kein besonders liberales Pflaster, wenn man an den späten Befreiungsschlag des Christopher Street Day 1969 denkt, der nur der Anfang einer Befreiungsbewegung war. Bernstein war damals bereits 51 Jahre alt.

Die duldende Frau und das immer
sympathische Genie

Choreografisch elegant tänzelt der Film die Brisanz weg: In einer Probe seines Musicals "On the Town" zieht es Bernstein von Dirigentenpult zwischen die hübschen Matrosen, seine Frau zieht ihn tanzend vergeblich in ihre Richtung. Aber eine echte Konsequenz entwickelt der Film aus dieser Fantasie-Sequenz nie.

Carey Mulligan spielt Felicia Montealegre als letztlich immer zurücksteckend Liebende. Sie will das Künstlertum ihres Mannes nicht bei der Entfaltung hemmen. Das ist zwar für die Ehemoral der 50er-Jahre sicher nicht unüblich.

Aber Felicia Montealegre, selbst eine erfolgreiche Schauspielerin, ist sehr liberal, lässig, aber eben auch selbstbewusst gezeichnet, so dass dieses Dulden dramaturgisch nicht aufgeht und heute fast ärgerlich wirkt.

Zu dieser Romantisierung passt auch, dass alles weitere Heikle entschärft oder nur angedeutet ist. Die amerikanische Politik vom Sieg im Zweiten Weltkrieg über die hysterisch konservative McCarthy-Ära bis zum Vietnamkrieg spielt keine Rolle. Und: Gab es nicht doch auch - mehr oder weniger offen - Antisemitismus gegen Bernstein? Die absurde aktuelle Diskussion, ob sich ein Schauspieler maskenbildnerisch die Nase vergrößern lassen oder gar als Nichtjude einen Juden spielen darf, ist dagegen Gott sei Dank schnell wieder abgeebbt.

Im Abspann tauchen Martin Scorsese und Steven Spielberg als Co-Produzenten auf. Beide hatten sich selbst überlegt, das Bernstein-Projekt als Regisseure zu übernehmen. Bei ihnen wäre es ein weiteres Alterswerk geworden. Aber auch mit Cooper spürt man, dass es in "Maestro" um nichts Neues oder Modernes geht, sondern um die Selbstvergewisserung der amerikanischen Kinowelt mit einem aufwändigen, reinen Unterhaltungsfilm.

Kino: Rex, Rio sowie City (auch OmU) und Arena (OmU)
R: Bradley Cooper (USA, 131 Min.)

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