Botschaft und Ware

2009 wird das Brandhorst-Museum in München eröffnet: Der Leiter Armin Zweite im AZ-Interview über den Neubau und die Kunst.
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2009 wird das Brandhorst-Museum in München eröffnet: Der Leiter Armin Zweite im AZ-Interview über den Neubau und die Kunst.

Von 1974 bis 1990 war Armin Zweite Direktor des Lenbachhauses, wo er 1980 den Ankauf der Beuys-Installation „Zeige deine Wunde“ gegen starken Widerstand der damals in München regierenden CSU durchsetzte. 1990 übernahm er die Kunstsammlung Nordrhein- Westfalen in Düsseldorf. Seit Januar 2008 ist er Direktor des im Bau befindlichen Brandhorst-Museums in direkter Nachbarschaft zur Pinakothek der Moderne.

AZ: Herr Zweite, Sie kehren nach 18 Jahren in Düsseldorf nach München zurück. Wie ist Ihr Eindruck?

ARMIN ZWEITE: München hat sich im Bereich der Kunst verändert, sehr zum Positiven. Es gibt jetzt den Lenbachhaus- Kunstbau, die Pinakothek der Moderne, die Sammlung Goetz; die Villa Stuck wurde restauriert, das Haus der Kunst macht ein interessantes Programm. Als ich 1990 wegging, war das alles so nicht vorhanden.

Ist München also endlich die Kunstmetropole, die sie gerne sein möchte?

Nein, da muss man ganz nüchtern feststellen, dass das Drehkreuz heute Berlin ist. Sicher spielt auch das Rheinland noch eine wichtige Rolle, die künstlerische Potenz ist dort u. a. mit Polke, Richter und den Düsseldorfer Fotografen sehr hoch. Aber die jungen Künstler gehen überwiegend nach Berlin, und das gilt auch für die Galerien.

Wo steht die Kunst heute zwischen Politik und Markt?

Wir leben in einer Zeit der totalen Ökonomisierung, da ist die Kunst keine Ausnahme: Sie ist zugleich Botschaft und Ware. Dieses Phänomen ist zwar verschärft, aber nicht neu. Denken Sie an Rubens: Die Preise seiner Gemälde hingen davon ab, ob er selbst, einer seiner besten Schüler oder nur die gewöhnlichen Werkstattgehilfen seine Bildidee auf die Leinwand brachten.

Welche Rolle spielen Sammler und Kuratoren?

Künstler wollen an einen Ort, wo das Überleben ihrer Werke garantiert ist, sei das nun eine Privatsammlung oder ein Museum.

Und Sie als Museums-Chef sorgen fürs Überleben der Kunst, indem Sie überzeugende Imagearbeit leisten?

Zunächst schon. Aber ob der Künstler in die Geschichte eingeht, entscheidet das Publikum über Jahrhunderte. Denken Sie an Lenbach: Er war einer der finanziell erfolgreichsten Künstler des 19. Jahrhunderts, schuf Porträts wie am Fließband. Heute ist er bis auf wenige Ausnahmen als Maler nicht mehr von Interesse.

Das Brandhorst-Museum agiert eigenständig und ist doch an die Staatsgemäldesammlungen gekoppelt.

Die Mittel der öffentlichen Museen sind heute allgemein sehr beschränkt, da geraten viele Häuser leicht in Abhängigkeit von einer Sammlerpersönlichkeit. Wir bemühen uns, die Sammlung Brandhorst in Abstimmung mit den Staatsgemäldesammlungen zu erweitern. So gibt es etwa in der Pinakothek der Moderne einen bedeutenden Baselitz-Raum. Ich bin mit Udo Brandhorst einig, dass wir bei uns den Baselitz- Bestand hier vorerst nicht weiter ausbauen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Udo Brandhorst?

Ich kenne Herrn Brandhorst, seit wir 1986 die Ausstellung Beuys zu Ehren im Lenbachhaus vorbereiteten. Damals war er ein sehr wichtiger Leihgeber. Außerdem saß er später bei der Kunstsammlung NRW in der Ankaufskommission. Schon damals fragte er, ob seitens der Kunstsammlung Interesse an seiner Kollektion bestehe, aber wir konnten ihm und seiner Frau Anette nicht viel bieten und schon gar kein eigenes Haus. Heute führen wir beide einen ständigen Dialog darüber, wo es sinnvoll ist, die Sammlung zu ergänzen.

Wo sind deren Stärken und Schwächen?

Auf jeden Fall liegt der Schwerpunkt bei der Malerei – Baselitz, Eric Fischl, Alex Katz, Polke, Warhol. Von Cy Twombly gibt es innerhalb der Sammlung den größten Werkkomplex, in Europa dürfte das überhaupt einer der größten sein. Erst vor kurzem konnte die Stiftung ein neues Twombly- Großformat erwerben können. Es ist unglaublich, bald wird Twombly 80 und es steckt immer noch derart viel Kraft und Dynamik in seinen Bildern! Wichtig ist aber auch der Bereich der Installationskunst, mit Mike Kelley, Franz West oder Damien Hirst. Aber im Museum wird es überdies auch einen Filmraum geben, denn Videokunst soll durchaus berücksichtigt werden. Gerade erst kam eine 3-Kanal-Arbeit von Isaac Julien hinzu, die Udo Brandhorst und mich begeistert hat.

Ist Ihr Ankaufsetat wirklich so sagenhaft hoch?

Die Staatsgemäldesammlungen haben einen Ankaufsetat von 40 000 Euro, das ist geradezu beschämend. Unsere Mittel liegen um ein Vielfaches höher, das eröffnet ganz andere Möglichkeiten.

Warum wird das Museum nun erst im Frühjahr 2009 eröffnet?

Das war doch im Herbst 2008 geplant. Es gab am Bau einige Verzögerungen, doch so wie es aussieht, findet Ende Juni die Übergabe statt. Dann erfolgt die Erprobungsphase für die Technik. Und im Herbst soll erst einmal das leere Gebäude präsentiert werden. Denn die Architektur gibt es ja auch zu bestaunen.

Was halten Sie von dem Bau von Sauerbruch/Hutton?

Ich denke, es ist ein städtebaulich sehr gelungenes Haus auf einem schwierigen Grundstück. Entstanden ist ein nach außen eher verschlossener Bau mit einer klaren Struktur. Und es ist wunderbar, wie die Keramikfassaden die Farben der Türkenstraße aufnehmen und zugleich die Kompaktheit des Baukörpers auflösen und gleichermaßen zum Schweben bringen.

Das Innere wurde ganz auf die Exponate der Sammlung hin konzipiert.

Es gibt einen Raum für die Warhol- Großformate, die über sechs Meter hoch sind, und den größten Saal für den Lepanto-Zyklus von Cy Twombly. Das ist geradezu ein Weiheraum! Ich bin sehr zuversichtlich, dass die wohl proportionierten Räume die Werke optimal zur Geltung bringen können. 2001 bei der Brandhorst- Präsentation im Haus der Kunst fand die Sammlung ja ein gemischtes Echo, das soll jetzt im eigenen Haus anders werden.

Roberta De Righi

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