Böse ist doch böse genug

Die Rokoko-Komödie „Die Unbeständigkeit der Liebe“ von Marivaux sucht im Cuvilliés-Theater auf den Spuren der Millionärin Susanne Klatten nach Wegen, wie ein Reicher nicht wegen seines Geldes, sondern um seiner selbst geliebt werden kann.
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Die Rokoko-Komödie „Die Unbeständigkeit der Liebe“ von Marivaux sucht im Cuvilliés-Theater auf den Spuren der Millionärin Susanne Klatten nach Wegen, wie ein Reicher nicht wegen seines Geldes, sondern um seiner selbst geliebt werden kann.

"Geld bewertet nicht, was oder wer ich bin“, zitiert ein liebevoll gemaltes Schild über dem Zugang zum Parkett die reichste Frau Deutschlands. „Es zieht einen Vorhang vor mich, der mich überhaupt nicht zeigt. Ich möchte aber gesehen werden, als Mensch.“

Schon im 18. Jahrhundert kannte man Susanne Klattens Problem der reichen Leute, die um ihrer selbst Willen geliebt werden wollen und nicht wegen der Millionen. Aus dem gleichen Grund tändelt der Prinz in „Die Unbeständigkeit der Liebe“ als einfacher Offizier mit Silvia, die aber dummerweise mit ihrem Arlequin schon recht glücklich ist.

Überblendung mit der Gegenwart

Aber Gefühle sind nicht ewig. Jan Philipp Glogers dichte Inszenierung überblendet das Rokoko mit der Gegenwart, und so wurde aus der Kupplerin Flaminia eine von Stephanie Leue grandios daneben verkörperte Beziehungsberaterin. Sie erläutert ihren unmöglichen Auftrag auf einem Flipchart und ermittelt Arlequins schwachen Punkt: Der herzensgute Proll (Tomas Flachs Nóbrega) tauscht zwar die Geliebte nicht gegen einen Flachbildschirm. Aber er isst gern und fühlt mit der echt oder gelogen früh verwitweten Flaminia, die sich auf dem Bauernhof eine Erlösung vom Dauerstress erhofft.

Die Aufführung ähnelt einer liebevoll-zynischen Beziehungs-Serie. Dank Marivaux’ realistischem Liebesdurchblick und der von Georg Holter sorgsam modernisierten Sprache sind die Dialoge allerdings besser und psychologisch genauer als in der Glotze. Der ursprüngliche Charakter des Stücks als Versuchsanordnung bleibt gewahrt: Auf Franziska Bornkamms Bühne blühen tausend falsche Blumen, und wenn Arlequin flüchten will, endet er in der rosa Gummiwand des Theaterrundhorizonts.

Harlekin scheint durch

Die sechs Schauspieler verschmelzen mit ihren Rollen: Katharina Hauter bleibt in ihrer Herbheit als Silvia herzensgut, wenn auch verführbar durch Dolce & Gabbana. Ihr schwacher Punkt ist die kleine Wampe, die sich Arlequin angefressen hat. Flachs Nóbrega lässt hinter der Gegenwart den Arlequin der Commedia dell’arte durchscheinen, wenn er sich die fettigen Finger am Pullover abwischt. Sogar Silvias Beuteschema stimmt: Mit seinen Geheimratsecken ist er ein Spiegel des traurigen Fürsten (Dirk Ossig), der verschiedene Reis-Sorten im Hinblick auf ihre Hochzeits-Wurfqualitäten testet.

Wunderbar dämlich sind auch die affektierte Schnepfe Lisette (Katharina Gebauer) und Trivelin (Peter Albers), der als heimlicher Liebhaber Flaminias einen albern-tragischen Gefühlsausbruch hinlegt. Sogar Cuvilliés’ Rokoko spielt als Theater des Luxus und der Moden mit. Was nach hübschem Schlussfeuerwerk vor dem rauschenden Beifall nicht überzeugte, war der mit dem Holzhammer aufgesetzte Schluss, bei dem der Fürst als böser Libertin enttarnt wird. Das braucht’s wirklich nicht: Marivaux’ Ummontierung der Gefühle ist doch wie Mozarts „Così fan tutte“ für sich schon auf allernetteste Weise böse genug.

Robert Braunmüller

Wieder am 28., 29. 12. sowie 2., 6., 19., 20. und 28. 1. im Cuvilliés-Theater, Tel. 2185-1940

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