Bob Dylan: Auf einem anderen Highway

Folkrock-Legende Bob Dylan schert sich im ausverkauften Zenith nicht um Vergangenes. Auch dieses Konzert ist eine unwiederholbare Songzusammenstellung
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Folkrock-Legende Bob Dylan schert sich im ausverkauften Zenith nicht um Vergangenes. Auch dieses Konzert ist eine unwiederholbare Songzusammenstellung

Es gibt in Robert Johnsons „Me And The Devil Blues“ die Textzeile, in der der Sänger bittet, man möge ihn in der Nähe des Highways begraben, damit sein alter böser Geist den Greyhound-Bus nehmen und weiterreisen könne. Natürlich kennt Bob Dylan den Delta-Blues-Klassiker. Wer „Highway 61 Revisited“ im Zenith hört, ahnt die apokalyptische Dimension hinter Johnsons fiesem Spaß: Aus der Gewitterwolke, die über den Himmel rollt, spricht Dylan von Gott, der Abraham zwingt, seinen Sohn auf dem Highway zu opfern, der Straße, auf der die laufen, die am Ende sind – die Spieler und Dealer. Hier wird der nächste Weltkrieg geplant.

Natürlich, auch dieses Konzert war nur eine Kaffee-Pause auf der nie endenden Straße. Die Setlist ist auf den Webseiten abgeheftet. Jedes Konzert ist eine unwiederholbare Songzusammenstellung: Im Zenith wird mit „Maggie’s Farm“ eröffnet, weiter geht es mit „One More Cup Of Coffee (Valley Below)“, „You Ain’t Going Nowhere“, „Things Have Changed“ und, für Nostalgiker, „Just Like A Woman“. Dylan steht meist hinter der Orgel. Seine fünfköpfige Band ist ein tonnenschwerer Straßenkreuzer, mit einem Motorsound, der schon tausende Meilen gefressen hat.

Die Wortberge, die da vor ihm liegen, sind für den Sänger Silbenmasse. Die Vokale liebt er, mit ihnen kann er heulen, phrasieren. „Now ain’t the time for your tears“ singt er in „The Lonesome Death of Hattie Carroll“ – nüchtern berichtet Dylan von William Zanzinger, dem Großgrundbesitzer, der die Küchenmagd erschlägt. Der Song von 1964 ist hier ein zurückgenommen instrumentierter Bericht, der seinen Folkpredigergestus längst aufgebraucht hat. „Tweedle Dee & Tweedle Dum“ - die Band steht im gelben Licht, von unten beleuchtet. Denny Freemans E-Gitarre zwirbelt ihr drehendes Lick. Die Schattenrisse der Gruppe auf der Rückwand: Geistercowboys in der Grand Ole Opry, der alten Nashville Radio-Show.

Dylan 2009 ist nicht Dylan 1962 ist nicht Dylan 1975. Wenn Bob am Ende „Blowin' In The Wind“ in einen swingenden Song mit einem Mundharmonika-Solo aus zwei Tönen auflöst, ist das die eigene Version eines Traditionals, der irgendwann von einem jungen Kerl geschrieben wurde. In einem vergangenen Amerika. Auf einem anderen Highway.

Christian Jooß

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