Blindes Vertrauen

Warmspielen für München: Eric Clapton und Steve Winwood begeistern in Birmingham
von  Abendzeitung

Warmspielen für München: Eric Clapton und Steve Winwood begeistern in Birmingham

Massig hockt die Halle da wie ein Urtier aus schwerindustriellen Zeiten. Aus dem Innern der LG Arena grollt der Soundcheck. Für den ersten Termin ihrer Europatournee sind Eric Clapton und Steve Winwood in Steves Geburtsstadt Birmingham abgestiegen. Erinnerung ist ein Riff. Wie bei ihrem als Album veröffentlichten Konzert 2008 im Madison Square Garden ist es die Blind-Faith-Nummer „Had To Cry Today“, bei der sich zum ersten Mal die zwei Fender Stratocaster begegnen. Erst werfen sie sich Schulter an Schulter in die Brust, dann fangen sie im Doppelsolo an, aufeinander einzusingen, als müssten sie sich in einer Minute ihre vergangenen Jahre erzählen.

Nur für einen Augenblick der Pop-Geschichte, Ende der 60er, haben Clapton und Winwood bei Blind Faith, zusammengespielt. In Jeansarbeitskluft treffen sich heute zwei, die sich aneinander aufrauen wollen. Diesmal kein „Wonderful Tonight“. In dieser Halle wird gewerkt. Es dauert zwei Songs, bis die Band bei „After Midnight“ zu einer malmenden Funkwalze wird. Diese Nummer kann man nur knirschend bremsen und mit einem weiteren Blind-Faith-Stück, „Presence Of The Lord“, abfangen. Das Licht rinnt über Claptons Brillengläser, als er sich in die erste Gospel-Strophe gibt. Und dann wuchtet Windwood die frohe Botschaft in sein Trum Orgel. Fauchend wie Wasser auf glühenden Stahl -„Forever Man“.

Diese beiden können sich verlieren, weil hinter ihnen eine Band steht, die unablässig nach vorne schafft: die Rhythmus-Sektion der Studiopräzisionisten Stephen Gadd am Schlagzeug und Willie Weeks am Bass. Chris Stainton, der schon mit Joe Cocker Woodstock aufrollte, am Keyboard. Und die zwei mächtigen Background-Sängerinnen Michelle John und Sharon White. Ein formloses Werkstück bleibt ohne ihr Verschulden die Neuerwerbung im Programm – „Maniac“. Trotz des sichtlich stolzen Winwood ist das die Progressivität von gestern, die mit Tempowechseln und Akkordclashs artifizielles Wollen ausstellt.

Zum Runterkommen gibt es „Cocaine“ für alle

Das Schlichte ist an diesem Abend das Filigrane. Steve Winwoods bescheidene Hommage an den Jazz-Standard und Ray-Charles-Erkennungssong „Georgia". Bei „Drifting" betupft er verspielt die Tasten, während Clapton den Blues aus der Akustischen pickt. „Layla" wird so ohne das überspielte Gitarrenlick zu einem Claptonschen Liebesgebet. Und „Can't Find My Way Home“ kugelt mit zwei akustischen Gitarren wie Quecksilber durch die Arena.

Der Blues steuert konsequent auf den Rand der Erde zu. Die Erlösung ins All kommt mit dem Hendrix-Song „Voodoo Chile“. Winwoods Orgel vibriert wie ein Raketentriebwerk. Unendlich funkt Claptons graue Fender Schreie in die dunkle Menge. Dann explodiert der Refrain hellweiß. Zum Runterkommen gibt es tatsächlich „Cocain“. Und „Dear Mr. Fantasy" aus Winwoods Traffic-Tagen entlässt als Zugabe mit dem gestärkten Glauben, dass Träume in dieser Musik noch immer am besten aufgehoben sind. Durch die dickwürzige Nachtluft vor der Arena rollt ein Güterzug. Frische Asphaltschwaden streichen über die Straße. Es ist Frühling in Birmingham.

Christian Jooß

Eric Clapton und Steve Winwood spielen am 5. Juni um 20 Uhr auf dem Königsplatz

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