Blicke ins richtige Leben

Das Museum Brandhorst zeigt Fotos der Fotosammlung von Eva Velten
Joachim Goetz |
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Ein Blick in die Ausstellung.
Museum Brandhorst Ein Blick in die Ausstellung.

Wie ein fehlendes Puzzleteil, so das Museum Brandhorst, füge sich die Fotosammlung von Eva Felten in den Bestand des Hauses ein. Wenn man so eine, in vier Jahrzehnten kundig und engagiert zusammengetragene Kollektion auch noch als Geschenk erhält, freut man sich natürlich riesig.

Nun ist ein repräsentativer Querschnitt dieser aus 429 Werken von mehr als 140 Künstlerinnen und Künstlern bestehenden Sammlung unter dem Titel "This is Me, this is You" im Haus zu sehen. Dieser Titel ist Programm und einer faszinierenden Arbeit von Roni Horn entlehnt. Die 1955 geborene US-Amerikanerin hat darin zwei mal 48 Porträts ihrer häufig Grimassen schneidenden jungen Nichte fotografiert. So, dass man kaum glauben mag, dass es sich bei dem Mädchen um ein und denselben Menschen handelt. Horn ging es dabei auch darum, bildlich und mit viel Humor zu zeigen, dass in jedem von uns eine Vielzahl von Identitäten wohnt.

Womit wir mitten im Thema wären: Menschenbilder, sensible Blicke auf Individuen, die unterschiedlicher nicht sein könnten - das ist der rote Faden in Feltens Sammlung. Darin offenbaren sich unterschiedliche Lebensentwürfe, politische Statements, innere Konflikte, kurz: ein schier universelles Panorama von Blicken auf Menschen - mit einem besonderen Augenmerk auf jene abseits des Mainstreams. Dazu zählen sensibel aufgenommene Drag Queens oder Bilder von Menschen, die in Armut und Elend leben oder obdachlos sind.

"Fotografie eröffnet so Einblicke in Lebenswelten, die viele in unserer Gesellschaft gar nicht aus eigenem Erleben kennen", sagt die Sammlerin dazu. "Die Fotografien eröffnen Räume und erlauben die Begegnung mit Menschen, die aus unterschiedlichen geografischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergründen kommen. Umso größer ist die Verantwortung der FotografInnen, nicht voyeuristisch zu sein. So geht es in diesen Bildern immer auch um Respekt, Taktgefühl, um einen Austausch, der nicht herablassend ist."

Das ist es auch, was an dieser Sammlung (und dieser Ausstellung) so fasziniert. Das wenigste sind schnelle Schnappschüsse, die allermeisten Aufnahmen sind sorgfältig komponiert, überlegt oder sogar inszeniert.

Felten hat dabei nicht nur die Heroen der Fotografie im Visier. Diese sind mit Walker Evans, Richard Avedon, Lee Friedlander oder Gordon Parks und vielen anderen bestens vertreten. Die Sammlerin, die einige der Künstlerin ihren Ateliers besuchte und mit ihnen teilweise auch befreundet ist, blickt aber weit über den klassischen Tellerrand hinaus.

Unter ihren Auserwählten finden sich Fotokünstler aus aller Welt - Zanele Muholy und Pieter Hugo aus Südafrika, Tracey Moffatt aus Australien sowie Malick Sidibé aus Mali oder Nobuyoshi Araki aus Japan. Auch weniger bekannte Namen sind dabei. Begeistert hat sie sich für die tschechische Fotografin Jitka Hanzlová - und dabei besonders für deren "Female"-Serie (1997 - 2000), in der sie interessant erscheinende Frauen spontan auf den Straßen New Yorks aufnahm. Sie sprach die Frauen an und schuf "aus dem Leben gegriffene Selbstdarstellungen, die durch Kleidung, Frisur, Körperhaltung, Gesichtsausdruck und wenige Accessoires berührende Einblicke in das Innenleben und die sozialen Codes der Menschen gewähren", wie Felten sagt.

Solche Arbeiten inspirierten Felten dazu, sich nun auch in der historischen (Street-) Fotografie umzuschauen - und etwa Werke von Helen Levitt, Vivian Meier, Ed van der Elsken oder Diane Arbus und Robert Frank zu erwerben. Was man dieser Sammlung ebenfalls deutlich ansieht: Sie ist nicht aus theoretischen Überlegungen heraus entstanden. Felten kaufte die Arbeiten meistens aus einem Bauchgefühl heraus. Alles sehr sympathisch - aber keine falschen Illusionen, dass hier eine heile Welt ausgestellt wird.

Museum Brandhorst, bis 7. April 2024, täglich außer Montag, 10 - 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Katalog im Deutschen Kunstverlag, 54,- Euro (Buchhandel)

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