Blick hinter den Schleier

Die Nürnberger Journalistin Stephanie Dötzer arbeitet als einzige Deutsche beim arabischen Sender Al-Dschasira. Die 29-Jährige über Kopftücher, Vorurteile und das Leben in der Wüste
von  Abendzeitung

Die Nürnberger Journalistin Stephanie Dötzer arbeitet als einzige Deutsche beim arabischen Sender Al-Dschasira. Die 29-Jährige über Kopftücher, Vorurteile und das Leben in der Wüste

Al-Dschasira? Ist das nicht dieser Bin-Laden-Sender?“ Stephanie Dötzer arbeitet seit über einem Jahr bei dem Nachrichtensender im arabischen Golfemirat Katar – als einzige Deutsche. Seitdem wird die 29-jährige Nürnbergerin immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. „Da muss ich enttäuschen“, sagt Dötzer und lacht. „Ich habe keine Ahnung, woher die Bin-Laden-Videos kommen. Es ist nicht so, dass man als Al-Dschasira-Mitarbeiter mal schnell bei El-Kaida anrufen könnte.“

Der Sender wurde 1996 gegründet, „davor gab es in der arabischen Welt nichts, was man als verlässliche Nachrichten hätte bezeichnen können“, sagt Dötzer. „Hier arbeiten Muslime, Christen, ein paar Juden und viele Atheisten – aus über 50 verschiedenen Ländern – das ist eine so bunte Mischung, dass es keine klare politische Linie gibt.“

Mit der arabischen Welt kam Dötzer bereits in Deutschland in Kontakt – zufällig. Jahrelang hat sie in WGs mit Arabern gewohnt. „Wir haben nächtelang über Kopftücher, den 11. September und den Irak-Krieg diskutiert“, erzählt sie der AZ. Beim SWR, wo Dötzer volontierte, lernte sie dann einen Journalisten von Al-Dschasira kennen. „Er hat mir geraten, zumindest mal für ein paar Monate zu kommen“, sagt sie. Aus den paar Monaten wurde eine Festanstellung. Also lebt sie jetzt in Katar, „eine Art großer Sandkasten mit Shoppingmalls und Wolkenkratzern“.

„Müssen Sie bei der Arbeit ein Kopftuch tragen?“, ist eine Frage, die Dötzer von Deutschen ebenfalls häufig hört. „Manchmal sogar: Mussten Sie zum Islam konvertieren? Das ist ein bisschen so, wie wenn einer fragen würde, ob man beim BR Dirndl tragen und katholisch sein muss!“

Auch wenn die Arbeitsweise ähnlich ist, die Themengewichtung ist bei Al-Dschasira natürlich eine andere als bei ARD und ZDF. „Viele Themen aus dem Nahen Osten sind in Deutschland bloß Nachrichtengeschichten“, sagt Dötzer. „Hier sind sie das, was den eigenen Freunden und Verwandten passiert. Geht in Bagdad eine Autobombe hoch, denkt man in Deutschland: ,Oh nee, schon wieder’. Die Iraker, die hier arbeiten, rufen erst mal zu Hause an und fragen, ob alle o.k. sind. Das macht einen riesigen Unterschied.“

"Im Sommer hat es sogar aus meiner Kloschüssel gedampft"

Das Bild, das von Muslimen durch deutsche Medien transportiert wird, gefällt Dötzer nicht. „Sie kommen meist nur als Masse vor: Entweder rennen wütende Männer mit erhobener Faust durch eine staubige Straße. Oder alle sind gerade am Beten“, sagt Dötzer. Mit dem Alltag habe das wenig zu tun. „Da geht man bei H&M Klamotten kaufen, danach bei Starbucks Kaffee trinken und trifft sich abends mit Freunden zum DVD-Schauen. Sowas klingt nicht besonders arabisch, es ist aber genauso arabisch wie es deutsch ist!“

In Doha möchte Dötzer dennoch nicht jahrzehntelang leben. „Das Leben in Katar ist ein ziemlich künstliches“, sagt sie. Ohne Klimaanlage geht nichts, und man braucht für fast alles ein Auto. „Ich vermisse deutsche Fußgängerzonen und Waldspaziergänge!“ Immerhin gab es pünktlich zu Weihnachten einen Temperatursturz. „Es hat jetzt unter 30 Grad. Ich mag die Hitze eigentlich gern, aber in den Sommermonaten hat es tagsüber fast immer um die 50 Grad. Im August hat es sogar aus meiner Kloschüssel gedampft.“

Frausein in Katar – für Dötzer selbst ist das kein Thema. „Ich habe dadurch mehr Vorteile als Nachteile“, sagt sie. „Ein westlicher Mann kann hier nicht einfach einheimische Frauen ansprechen – ich schon. Und gleichzeitig kann ich in Männerrunden auftauchen, das wundert keinen, ich bin ja Ausländerin.“

Überhaupt: Wer durch Doha laufe, verabschiede sich sehr schnell von dem Gedanken, Frauen hätten es in arabischen Ländern schwerer als Männer. „Die katarischen Frauen tragen in der Öffentlichkeit zwar ihr traditionelles schwarzes Gewand, aber mit Glitzer, Gucci-Taschen und ziemlich viel Make-up. Das sind Frauen, die ihre Männer unheimlich gut um den Finger wickeln können“, erzählt Dötzer. „Und es geht vielen auf die Nerven, dass sie vom Westen ständig als die armen Opfer angesehen werden.“

Angelika Kahl

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