Bleigrau die Stadt, klamm die Stimme
»Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street«: Tim Burtons Grusical mit Johnny Depp, der anderen an die Kehle will. Und weil „Sweeney Todd die Verfilmung des gleichnamigen Sondheim-Musicals von 1979 ist, muss Johnny Depp singen.
Ein Schiff wird kommen, den Horror an Bord, das Ziel: London. Wem das bekannt vorkommt, der hat seinen „Dracula“ gelesen – oder gesehen: mit Max Schreck als Nosferatu in Murnaus Meistergeburt des Grusel-Genres von 1922 oder in Werner Herzogs Hommage an diesen Film mit Klaus Kinski als ausgemergeltem bleichem Hals- Blutsauger 1979.
Tim Burton grüßt in seinen stummfilmhaften Eingangsbildern Murnaus Werk: ein nebeliger Themse-Hafen in Londons East-End mit nasskühlen Durchgängen, düsteren Gassen und verrußten Backsteinmauern. Selbst dort, wohin der bleigraue Himmel wenigstens ein wenig Licht bringt, bleiben die Farben fahl, wie entfärbt. Man lechzt nach Sonne und Wärme, so stark ist einem die klamm-gruselige Atmosphäre in die Glieder gekrochen. Diesmal geht ein blass geschminkter, etwas aufgeschwemmter Johnny Depp von Bord, der anderen an die Kehle will. Nicht als Graf Dracula, sondern als Rächer mit dem Rasiermesser nach 15 Jahren unschuldiger Kerkerhaft.
Dünnes, hoch angesetztes Singstimmchen
Und weil „Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street“ die Verfilmung des gleichnamigen Sondheim-Musicals von 1979 ist, muss Johnny Depp singen. Nur, dass er das mit einem dünnen, etwas angestrengt hoch angesetzten Singstimmchen gar nicht kann. So wenig wie seine ihm hörig-ergebene, hexenhafte Gehilfin, die in einer Kanalisations-Katakomben- Küche unter ihrem Haus in der Fleet Street Menschenfleisch- Pasteten bäckt: Helena Bonham Carter, die Burton mit Depp schon im bizarren „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und im Grusel-Puppenfilm „Corps Bride“ zusammenspannte.
Die einzige und lästig dämliche Ohrwurm-Melodie ist der Song „Johanna“. Zwar erwartet man in einem Musical nicht viel mehr als Einfachheit und Klischees. Aber man beginnt früh, sich bei „Sweeney Todd“ zu langweilen. Denn langsam erschöpft sich der Film substanzlos in einer Fließband-Barbierstuhl- Kehlendurchschneide- Mordkette mit zunehmendem Abstumpfungsprozess. Schade.
adp