Bitte sofort entstauben
München sucht den Super-Museums-Direktor für eine Herkules-Aufgabe: Das Stadtmuseum soll sich völlig neu erfinden. Einer der vier Kandidaten in der Endauswahl hat sich schon zurückgezogen
Unter den vielen Münchner Kulturbaustellen ist die am St.-Jakobs-Platz eine der grössten: Das Stadtmuseum muss sich dringend neu erfinden - und seit dem altersbedingten Ausscheiden von Direktor Wolfgang Till Ende Oktober ist es sogar ohne feste Leitung. Zwar führt Vize Florian Dering das Riesenhaus mit seinen mehr als 100 Mitarbeitern und zwölf Spezialsammlungen derzeit kommissarisch. Doch seit langem ist offensichtlich, dass das Stadtmuseum einen grundsätzlichen Neuanfang braucht.
In diesen Tagen soll nun der Supermann (oder die Superfrau) gefunden werden, der mutig ein Haus übernimmt, von dem Kulturreferent Hans-Georg Küppers in einem Interview sagte, es sei "natürlich relativ verstaubt". Der Ruf des Stadtmuseums hat erheblich gelitten, nachdem es zuletzt in den 80ern mit wegweisenden Ausstellungen geglänzt hatte. Als Grund für die Schwäche nannte Ex-Direktor Till Etat-Kürzungen und gewaltige Bau- und Sanierungsaufgaben in den letzten Jahren. Erst seit der Eröffnung der Dauerausstellung "Typisch München" und der Wiederherstellung des St.-Jakobs-Platzes geht es etwas aufwärts. Bis zum Jahresende rechnet das Haus mit 150 000 Besuchern - das wäre respektabel, aber noch lange nicht gut für einen zentralen Ort der Münchner Stadt- und Kulturgeschichte.
Ein Kessel Buntes
So wurde zuletzt in der Kulturpolitik das Grummeln und Schimpfen immer lauter: Das Wort "verstaubt" fällt öfter und gehört zu den vornehmeren, wenn man sich mit Stadtpolitikern über den Zustand des Museums unterhält. Am heftigsten wird kritisiert, dass es über die Jahrzehnte ein Sammelsurium disparater Spezialsammlungen (von Film über Schaustellerei und Musikinstrumente bis Mode und Puppentheater) geblieben sei. Ein Gesamtkonzept sei nie erkennbar gewesen, moderne Museumsdidaktik nur in Ansätzen.
So ist jetzt die spannende Frage, wem die Stadt die Herkules-Aufgabe zutraut. 67 Bewerber gaben ihre Papiere bei der Stadt ab, acht wurden zu Gesprächen eingeladen, vier kamen in die engere Auswahl, die sich am Donnerstag dem Stadtratsausschuss vorstellen soll. Nach AZ-Informationen hat einer der heissen Kandidaten seine Bewerbung wieder zurückgezogen, da sein bisheriger Arbeitgeber ein besseres Angebot vorgelegt hat. Bleiben noch drei - wobei zwei Namen durchsickerten: Elisabeth Tworek, langjährige Chefin des städtischen Literaturarchivs Monacensia, und Bernhard Purin, Gründungsdirektor des ebenfalls städtischen Jüdischen Museums. Bei der dritten Person handelt es sich um eine Museumsleiterin aus einer anderen deutschen Grossstadt.
Es besteht Beratungsbedarf
Bei Purin ist ausserdem interessant, dass er sich zusätzlich um die Direktion des Jüdischen Museums Wien bewirbt. Offenbar sucht der Kreativkopf dringend eine neue berufliche Herausforderung. Alle direkt Beteiligten am Münchner Bewerbungsverfahren schweigen jedenfalls eisern.
Das Kulturreferat rechnet nicht damit, dass nach der Vorstellungsrunde am Donnerstag gleich eine Entscheidung fürs Stadtmuseum fällt - die Fraktionen im Stadtrat hätten danach mit Sicherheit noch "Beratungsbedarf". So könnte frühestens das Stadtratsplenum am nächsten Mittwoch einen Museums-Chef küren.
Sollten sich die Bewerber die gesamte Sitzung des Kulturausschusses angedeihen lassen, könnten sie gleich einen Blick in die Zukunft werfen: Auf der Tagesordnung steht auch die Genehmigung des neuen Stadtmuseums-Depots in Freimann - für 24,6 Millionen Euro.
Michael Grill
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