Bis nur noch der Hintern glänzt
Der „Jedermann“ in Salzburg macht immer noch viel Freude – Die Buhlschaft verkörpert zwar keine Wollust-Bombe, dafür aber ein edles Geschöpf, dessen Blut wohl so blau ist wie das Kleid.
Dass Kinder nicht nur mit ihrem Mund Wahrheit kund tun, sondern auch Herzen öffnen, weiß ein Tüftler wie Christian Stückl aus jahrelanger Masseninszenierungs-Erfahrung. Kein Wunder, dass er seinen „Jedermann" mit den Riederinger Kindern eröffnet. Süß ist das und auch ein wenig böse, weil die Unschuld schnell dahin ist. Der Teufel lässt ein blondes Mädchen am Apfel kosten.
Ja, ja, die Sünde ist ein Kinderspiel, der Jedermann ist ihr verfallen, und man schaut Peter Simonischek, der diese Rolle seit 2002 unter Stückls Regie spielt, gerne zu, wie er den Schnösel gibt, dem die letzte Stunde auf dem Domplatz in Salzburg schlägt und der erkennen muss, dass er im Tod ganz allein ist.
Eine teuflische Rolle
Was gar nicht stimmt, denn die Zuschauer schwitzen mit, weil Simonischek diese Rolle so intus hat, im Kopf, im Bauch, im Herzen, dass er virtuos durch die Gefühlsregister von der Hybris bis zum Sturz ins Jammertal jazzen kann. Im wunderbaren Kontrast steht Sven-Eric Bechtolf als teuflischer Gesell und wenig geselliger Teufel, dem Wohlstandsbauch setzt er züngelnd-tänzelnde Durchtriebenheit entgegen, die schnell in diabolische Wut umschlagen kann.
Denn natürlich wird Jedermann dem Teufel entkommen, der moralinsauren Botschaft von Hugo von Hofmannsthals Stück kann Stückl nicht entgehen, doch er war und ist gewitzt genug, die Rolle des Glaubens zu streichen und das Ende zu straffen.
Die Überraschung der Buhlschaft
Der Ablauf ist bekannt, die Leute wollen das sehen, und wenn nicht, wartet auf die Wiedergänger dieser eingespielten, mit Halligalli, Feuerzauber und tosender Musik dekorierten Inszenierung immerhin die Überraschung der Buhlschaft: Wie ist denn Sophie von Kessel? Nun, keine Wollust-Bombe, sondern ein edles Geschöpf, dessen Blut wohl so blau ist wie das Kleid, durchaus bereit zum Busseln und Spaß-Haben, aber doch ein bisserl reserviert und schnell bei der Melancholie, als klar wird, dass der Lover den Löffel abgeben muss.
The show goes trotzdem on, die Schatten auf dem Domplatz und über dem Jedermann werden länger, bis nur noch der goldene Hintern des Mammons (Gabriel Raab) glänzt und ein Todesengel mitsamt Opfer endlich schwarze Ruhe findet.
Michael Stadler
- Themen:
- Christian Stückl