Bilder für die Bildung

Als Frauenheld und Kunstsammler ging König Ludwig I. in die Geschichte ein. Doch an seiner Liebe zur Kultur sollten die Untertanen teilhaben: 1836 wurde die Alte Pinakothek eröffnet
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Als Frauenheld und Kunstsammler ging König Ludwig I. in die Geschichte ein. Doch an seiner Liebe zur Kultur sollten die Untertanen teilhaben: 1836 wurde die Alte Pinakothek eröffnet

Souverän steht sie da, diese bayerische Bilderburg. Wobei der Begriff Burg fast schon etwas zu Hermetisches hat. Die Alte Pinakothek ist schließlich eines der ersten öffentlichen Museen. Und gleich eines von globalem Rang. 1836 wurde der Kunsttempel eröffnet, dieser Geburtstag jährt sich 2011 zum 175. Mal. Schon jetzt stehen fünf außergewöhnliche Ausstellungen (siehe rechts und unten) fest, die das Haus erfreulicherweise nicht auf die allseits bekannten Klassiker reduziert.

Wobei, das muss man schon zugeben, die natürlich von besonderem Reiz sind: Rubens und seine Isabella machen sich einfach prächtig in ihrer „Geißblattlaube“. Velázquez’ „Junger spanischer Edelmann“ blickt aus den sehnsuchtsvollsten Augen der ganzen Sammlung. Und Rogiers „Columba Altar“ ist nicht nur an Dreikönig ein Magnet. Ganz zu schweigen von all den Dürers und Cranachs, den Brueghels und Bouchers, den Tizians und Holbeins. Allein diese sehr unterschiedlichen Provenienzen – vom 14. bis zum 18. Jahrhundert – lassen auf verschiedenste Geschmäcker schließen. Und eine abwechslungsreiche Sammlungsgeschichte.

Sie ging letztlich mit Wilhelm IV. los, der bei Albrecht Altdorfer 1528 die später so berühmte „Alexanderschlacht“ in Auftrag gab. Maximilian I. war dann vor allem spitz auf Dürer. Dass er die Nürnberger mehr oder weniger „sanft“ dazu gedrängt hatte, 1627 dessen „Vier Apostel“ rauszurücken, haben ihm die Franken bis heute nicht verziehen. Und immer wieder fordern lokale Politheroen die Herausgabe dieses kapitalen Quartetts. Der Blaue Kurfürst schließlich tummelte sich als Statthalter Spaniens in den Niederlanden und kaufte die Arbeiten von Rubens und van Dyck quasi gleich im Dutzend, aber leider nicht billiger.

Die Sammelleidenschaft zog sich durch die ganze weitverzweigte Familie bis zu den Vettern aus der Pfalz: Johann Wilhelms Kunstagenten waren in ganz Europa unterwegs. Über Gattin Maria Luisa, eine Medici, kam immerhin Raffaels „Heilige Familie“ in die Erbmasse. Und so ging’s munter weiter – bis zu den Raubzügen Napoléons. Die „Alexanderschlacht“ landete im Badezimmer des Franzosenkaisers, und leider kam nach dessen Sturz nicht alles zurück nach Bayern. Dafür sorgte die Säkularisation für eine satte Ausdehnung der königlichen Sammlung. Und das Entstehen diverser Dependancen in der Provinz.

Die Hofgartengalerie platzte eh schon aus allen Nähten. Zumal Ludwig I. später noch einmal kräftig zulangen sollte, etwa 1827 die exquisite Sammlung Boisserée ankaufen ließ. Und weil sich der kunstsinnige König auch der Bildung seiner Untertanen verpflichtet fühlte, musste endlich ein ordentliches Museumsgebäude her.

Am Stadtrand war Platz, der innovative Leo von Klenze durfte loslegen. 1826, am 7. April, dem Geburtstag Raffaels, wurde der Grundstein gelegt. Und in den folgenden zehn Jahren entstand ein moderner Museumsbau von klassizistischem Ebenmaß und einer Übersichtlichkeit, die noch 175 Jahre nach der Eröffnung beeindruckt. Und einlädt. Trotz der schweren, heute noch offenkundigen Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg. Insofern ist der Begriff Burg wirklich nicht ganz passend.

Nobler Besuch aus Wahington

Max I. Joseph trug eine fabelhafte Sammlung mit holländischen Meistern zusammen, darunter auch ein fabelhafter Vermeer. Nur wurde der 1826 versteigert. Ein Desaster! Zum Geburtstag kommt die „Frau mit der Waage“ (1664) aus Washington zu Besuch nach München – und darf im Kreise der Genre- und Landschaftsmalerei ihrer Zeit glänzen. Zu sehen sind u. a. Werke von Jacob van Ruisdael, Willem van de Velde oder Philips Wouwerman. Auf diese Weise wird klar, dass der Vater von Ludwig I. so kunstsinnig wie der Sohn war. Zumindest was die Alten Meister anbelangt. Vom 17. März bis 19. Juni 2011.

Altendorfer und Dürer auf der Spur

Ein Riesenschinken wie die „Alexanderschlacht“ braucht detailgetreue Vorarbeit. Aber wie ging Albrecht Altdorfer vor? Mit bloßem Auge kann man’s nicht sehen, die Technik hilft weiter: Am hauseigenen Doerner Institut wurde die digitale Infrarotreflektografie perfektioniert. Sie macht sichtbar, was der Künstler – vor seiner Malerei – auf die Holztafel oder Leinwand aufgebracht hat. Das kann höchst aufschlussreich sein. Zu sehen ist das an sechs prominenten Werken aus der Altdeutschen Sammlung. Die Heroen Dürer und Cranach sind auch dabei. Vom 7. Juli bis zum 18. September 2011.

Der Verkannte

Wir sehen heute vor allem Raffael, seinen berühmten Schüler. Dabei ist Pietro Perugino eine tiefere Erkundung wert. Die Präraffaeliten im 19. Jahrhundert hatten ihn heftig verehrt, Ludwig I. erwarb mit der abgebildeten „Vision des heiligen Bernhard“ (um 1490) ein Hauptwerk. Das und internationale Leihgaben werden uns den schmählich Verkannten näher bringen. Und zwar vom 13. Oktober 2011 bis zum 15. Januar 2012.

Zelebrierte Museumsbesuche mit Picknich

Wie sah die Alte Pinakothek vor dem Zweiten Weltkrieg aus? Eine Auswahl großformatiger Schwarz-Weiß-Prints von Glasnegativen zeigt den Klenze-Bau so, wie ihn König Ludwig I. haben wollte (Foto: Südfassade von 1926). Mit Deckendekorationen in den Sälen, dem feinen Zierrat in den Loggien – samt der Freskenzyklen, die Peter von Cornelius dafür entworfen hatte. Nebenbei zeigen die Aufnahmen, wie die Münchner ihren Museumsbesuch zelebrierten, dass die Wiese große Anziehungskraft besaß und das Pina-Picknick nun wirklich nichts Neues ist. Vom 28. Juli bis zum 18. September 2011.

Wahres, Kopiertes, Kurioses

Das wollten wir doch immer schon wissen: Welche Geheimnisse verstecken sich im Depot? Nur so viel: Die Bestände sind mit 4500 Werken üppig, davon ist nicht alles klasse – sonst wär’s ja ausgestellt –, aber so manches wirklich eine Schau. Gezeigt werden Gemälde aus allen Sammlungsbereichen, darunter kostbare Tafeln altniederländischer, altitalienischer und natürlich altdeutscher Bildkunst. „Das Wahre Antlitz Jesus Christus“ (Foto) ist leider, leider nur eine Kopie (den mittelalterlichen Kujau wollte uns der Konservator auch auf mehrfache Nachfrage nicht nennen) des van Eyckschen Originals. Zu sehen vom 17. März 2011 bis zum 15. Januar 2012.

Christa Sigg

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