Bier statt Champagner

Salzburger Festspiele: Claus Guth inszenierte Mozarts Oper„Don Giovanni“. Erwin Schrott, aufmerksam beobachtet von seiner hochschwangeren Lebensgefährtin Anna Netrebko, spielte den Leporello virtuos.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Salzburger Festspiele: Claus Guth inszenierte Mozarts Oper„Don Giovanni“. Erwin Schrott, aufmerksam beobachtet von seiner hochschwangeren Lebensgefährtin Anna Netrebko, spielte den Leporello virtuos.

In einer Waldlichtung, in der Nähe eines Omnibus-Wartehäuschens, hat er es sich bequem gemacht. Der ehemalige Playboy Don Giovanni (Christopher Maltman) ist in Salzburgs Festspiel-Inszenierung von Claus Guth ein heruntergekommener, drogenabhängiger Obdachloser. Leporello, sein Kumpan, leistet ihm Gesellschaft. Auch er ein Junkie, der Grimassen schneiden darf und offenbar eine Meise hat.

Erwin Schrott, aufmerksam beobachtet von seiner hochschwangeren Lebensgefährtin Anna Netrebko, spielte den Leporello virtuos, bühnenfüllend. Was die Musik betrifft, scheint er ein eher robuster Mozart-Sänger zu sein. Das aber passte perfekt zum nüchtern-reportagehaften Stil der Inszenierung.

Bereits zur Ouvertüre zeigt uns Regisseur Claus Guth, wie Don Giovanni den Vater der von ihm vergewaltigten Donna Anna von hinten (pfui!) erschlägt, dabei aber von dem Sterbenden angeschossen wird. Wie ein waidwundes Reh verkriecht er sich.

Bäume inklusive Waldsterben auf die Bühne gezaubert

Ausstatter Christian Schmidt hatte Bäume inklusive Waldsterben so naturalistisch auf die Bühne des Hauses für Mozart gezaubert, dass in dieser Kulisse mühelos Humperdincks „Hänsel und Gretel" oder Webers „Freischütz" aufgeführt werden können – und so ganz nebenbei auch noch ein Auto Platz fand.

Warum Donna Anna und Giovannis Ex Donna Elvira noch immer ein Auge auf den Fiesling geworfen haben, wird zwar von Mozarts Musik ausführlich erklärt, bleibt aber in der Inszenierung weitgehend unbeantwortet. Bei Claus Guth ist Don Giovanni ein bedauernswertes Auslaufmodell: ein Wrack, körperlich und geistig am Ende, von der Gesellschaft längst gemieden. Die berühmte „Champagner-Arie" muss er mit einer billigen Bierbüchse in der Hand singen. Bariton Christopher Maltman machte das prächtig. Ein Sänger ohne allzu viele Zwischentöne. Aber einer, der den Charakter einer Rolle präzise zu erfassen vermag.

Dass es der Regie gelang, die handelnden Personen ohne übliche Opern-Gesten durch das Stück – und den Wald – zu führen, war schon eine Menge. Dass man einem tüchtigen Kapellmeister, aber keinem Star, die musikalische Leitung dieser Salzburger Eröffnungspremiere anvertraute, überraschte dann aber doch.

Wiener Fassung des „Don Giovanni"

Bertrand de Billy hatte sich für die Wiener Fassung des „Don Giovanni" entschlossen. Matthew Polenzani durfte als Ottavio seine Arie „Il mio tesoro" nicht singen, was zu bedauern war. Dafür konnte man ein zumeist gestrichenes Duett zwischen Zerlina (kokett, virtuos: Ekaterina Siurina) und Leporello hören und darüber grübeln, an welchen Stellen Mozart „Cosi fan tutte" vorweg nahm.

Am Ende sprang Don Giovanni mit perfekter Körperhaltung in das vom Commendatore, dem Vater Donna Annas, geschaufelte Grab. Das Licht erlosch. Claus Guth hatte sich das Schluss-Sextett verkniffen, was angesichts der unerträglichen Temperaturen im Saal wohl niemanden ernsthaft in Rage brachte.

Eindrucksvollster Sänger war Bassist Anatoli Kotscherga (Il Commendatore), gefolgt von Dorothea Röschmann (Elvira) und Alex Esposito (Masetto). Annette Dasch (Anna) blieb blass.

Bertrand de Billy und die Wiener Philharmoniker begleiteten routiniert, mit vorwiegend raschen Tempi. Zaghafte Buhs deuteten an, dass diese Parabel über einen, der sich weigert, das Sterben zu akzeptieren, einigen Salzburger Festspiel-Gourmets wohl gar nicht schmeckte.

Volker Boser

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.